Kann mir kein Subjekt leisten! 2

[gone] Hans K
16.09.2006
"Habe Deine Sedcard gesehen. Mag Deine Fotos. Würde Dich fotografieren. Habe nur wenig Zeit. Kann mir nicht mal Subjekte leisten. Bevorzuge Prädikate. Füge einem Prädikat auch gern und oft gleich mehrere Objekte und gelegentlich sogar ein paar adverbiale Bestimmungen bei, keinesfalls aber ein Subjekt. Hoffe, auf diese Weise den unschätzbaren Wert meiner überaus knappen Zeit verdeutlicht zu haben. Warte auf Deine Antwort."

Manchmal gibt es solche Anfragen vom Fotografen ans Model: Der Autor läßt das Subjekt fast jedes Satzes weg und erwartet, daß der Leser dann den Autor als Subjekt vermutet, also als denjenigen, der die Sedcard sah, die Fotos mag, fotografieren würde, aber wenig Zeit hat und sich darum keine Subjekte leisten kann - und wohl auch kein Model. Dieser letzte und erstaunliche Zusammenhang ist mir erst jetzt aufgegangen: Wer tatsächlich ein Model buchen will, schreibt ganze Sätze, ohne auf das Subjekt zu verzichten: "Ich habe Deine Sedcard gesehen. Ich würde Dich gern fotografieren ..." - Wer Krüppelsätze schreibt, bucht nicht.

Wollte das mal bemerkt haben.
Hoffe, niemandes Zeit über Gebühr beansprucht zu haben.
Wünsche allseits gute Nacht.
16.09.2006
Wie es nun passiert, so ähnlich schreib ich ja auch.
Und dazu schreibe ich sogar beinahe programmatisch so.
Vielleicht sollte man deswegen etwas unterscheiden.

Als gegebene Tatsache sei nun der Zusammenhang zwischen Sprache, und zwar Sprachreduktion,
und Gedankenproduktion zu betrachten.
Damit hatte sich eingehend und ausführlich Lev Semenovich Vygotskii beschäftigt.
Nur kurz zur Erinnerung war Vygotskii der Meister von Aleksandr Romanovich Luria,
von dem "The Mind of a Mnemonist. A Little Book about a Vast Memory"
und "The Man with a Shattered World. The History of a Brain Wound" als prägende Studien gelten.
Gerade Luria war einer der intelligentesten Aerzte überhaupt des 20. Jahrhunderts.

LG, bona

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