EuGH zieht Grenzen für urheberrechtlichen Schutz von Porträtfotografien 1

Der EuGH hat am gestrigen Tag ein Urteil i.S. Urheberrecht gesprochen, welches ich einmal hier poste.
Vielleich tist es ja für den einen oder anderen interessant.

Das original Urteil ist hier zu finden:
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=9ea7d0f130de26275c4e335e4c698581e54b4e1ee378.e34KaxiLc3eQc40LaxqMbN4NchmOe0?text=&docid=115785&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first∂=1&cid=5334

Eine Porträtfotografie genießt denselben urheberrechtlichen Schutz vor Bearbeitungen wie jedes andere Werk, sofern es sich um eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers handelt. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 01.12.2011 im Urheberrechtsstreit zwischen einer Fotografin und mehreren Zeitungsverlagen um Fotos von Natascha Kampusch entschieden. Die Medien dürften aber Fotos vermisster Personen ohne Zustimmung ihres Urhebers veröffentlichen, wenn dies im Rahmen kriminalpolizeilicher Ermittlungen und in Absprache mit der Polizei geschieht. Ein Fahndungsaufruf der Sicherheitsbehörden müsse hierzu nicht erfolgt sein (Az.: C-145/10).
Medien veröffentlichen Kampusch-Fotos ohne Zustimmung der Urheberin

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist selbstständige Fotografin. Sie machte unter anderem mehrere Fotos von Natascha Kampusch, die nach deren Entführung 1998 von der österreichischen Polizei im Rahmen eines Fahndungsaufrufs verwendet wurden. Nach Kampuschs Flucht im Jahr 2006 und vor ihrem ersten öffentlichen Auftreten veröffentlichten vier deutsche und ein österreichischer Presseverlag diese Fotos in bekannten Zeitungen und Zeitschriften sowie im Internet. Sie nannten die Fotografin jedoch nicht als Urheberin der Fotos. In mehreren Medien wurde außerdem ein Phantombild veröffentlicht, das eine digitale Bearbeitung eines der Fotos der Fotografin darstellte und das vermutete aktuelle Aussehen von Natascha Kampusch wiedergab.
Fotografin klagt wegen Urheberrechtsverletzung

Die Fotografin sah durch die Veröffentlichung dieser Fotos ihr Urheberrecht verletzt und verklagte die Presseverlage vor den österreichischen Gerichten. Den Verlagen sollte verboten werden, die Fotos und das Phantombild ohne ihre Zustimmung und ohne Angabe ihres Namens als Urheberin zu vervielfältigen und zu verbreiten. Außerdem verlangte sie ein angemessenes Entgelt und Schadensersatz.
Handelsgericht Wien: Porträtfotografien urherberrechtlicher schwächer geschützt?

Das Handelsgericht Wien rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an. Es wollte wissen, ob Porträtfotografien europarechtlich einen schwächeren urheberrechtlichen Schutz vor Bearbeitungen genießen als andere Werke, weil sie als «wirklichkeitsgetreue» Aufnahmen geringere künstlerische Gestaltungsmöglichkeiten aufwiesen. Ferner sollte der EuGH klären, unter welchen Umständen die Medien solche Aufnahmen ohne Zustimmung ihres Urhebers für kriminalpolizeiliche Ermittlungen verwenden dürfen. Außerdem fragte das Handelsgericht den EuGH, unter welchen Umständen ein geschütztes Werk zitiert werden darf.
EuGH: Porträtfotos bei eigener geistiger Schöpfung des Urhebers wie andere Werke geschützt

Der EuGH hat entschieden, dass eine Porträtfotografie denselben urheberrechtlichen Schutz wie jedes andere Werk genießt, vorausgesetzt es handelt sich um eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers. Eine solche liege vor, wenn seine Persönlichkeit in dem Werk zum Ausdruck kommt. Dies sei dann der Fall, wenn der Urheber seine schöpferischen Fähigkeiten durch freie kreative Entscheidungen bei der Herstellung des Werks zeigen konnte. Bei der Herstellung eines Porträtfotos kann der Fotograf nach Auffassung des EuGH frei verschiedene kreative Entscheidungen treffen und so dem Werk seine «persönliche Note» verleihen. So könne der Fotograf entscheiden, wie er die zu fotografierende Person inszenieren, die Aufnahme gestalten und den Abzug fertigen möchte. Ob im Einzelfall eine geistige Schöpfung des Urhebers zu bejahen sei, müssten die nationalen Gerichte prüfen.
Medien dürfen Fotos nicht von sich aus zum Schutz der öffentlichen Sicherheit nutzen

Anschließend wendet sich der EuGH der Einschränkung des urheberrechtlichen Schutzes durch Art. 5 Abs. 3 lit. e der Richtlinie 2001/29/EG zu, der eine Ausnahme vom Erfordernis der Zustimmung des Urhebers zu Vervielfältigungen seines Werks für den Fall erlaubt, dass dieses zu Zwecken der öffentlichen Sicherheit genutzt wird, insbesondere im Rahmen kriminalpolizeilicher Ermittlungen, um eine vermisste Person wiederzufinden. Der EuGH führt dazu aus, dass nur Staaten als fähig und verantwortlich dafür anzusehen seien, die öffentliche Sicherheit durch passende Maßnahmen wie etwa einen Fahndungsaufruf zu gewährleisten. Ein Presseverlag dürfe deshalb nicht aus eigener Initiative ein urheberrechtlich geschütztes Werk nutzen, um die öffentliche Sicherheit zu schützen.
Fotos vermisster Personen dürfen in Absprache mit der Polizei veröffentlicht werden

Laut EuGH dürfen die Medien allerdings ein Foto ohne Zustimmung seines Urhebers veröffentlichen, wenn dies im Rahmen kriminalpolizeilicher Ermittlungen der Polizei helfen soll, eine vermisste Person wiederzufinden. Ein konkreter, aktueller und ausdrücklicher Aufruf der Sicherheitsbehörden müsse hierzu nicht ergangen sein. Diese Initiative der Medien müsse aber im Zusammenhang mit dem Vorgehen der nationalen Behörden stehen. Außerdem müsse sie im Einvernehmen und in Absprache mit ihnen ergriffen werden, solle sie nicht deren Maßnahmen zuwiderlaufen.
Urheber muss bei Werkszitierung grundsätzlich genannt werden

Zur Zitierung von geschützten Werken führt der EuGH aus, dass der Öffentlichkeit bereits rechtmäßig zugänglich gemachte Werke zitiert werden dürfen, sofern die Quelle einschließlich des Namens des Urhebers angegeben werde. Nur wenn sich diese Angabe als unmöglich erweise, seien diese Angaben nicht erforderlich. Die Verlage könnten sich nicht darauf berufen, dass sie die Fotos von einer Presseagentur erhalten, aber Schwierigkeiten gehabt hätten, die Urheberin zu ermitteln, und ihren Namen auf den Fotos daher nicht angeben können. Denn die Presseagentur habe den Verlagen den Namen der Urheberin mitteilen müssen.
Bei Zugänglichmachung durch Sicherheitsbehörden muss Urheber nicht genannt werden

Wenn die Fotos der Öffentlichkeit allerdings von den nationalen Sicherheitsbehörden zugänglich gemacht worden seien, habe der Name der Urheberin nicht angegeben werden müssen, so der EuGH weiter. In diesem Fall sei nur die Angabe der Quelle der Fotos, nicht aber die Angabe des Namens ihrer Urheberin erforderlich.
(Fundstelle: beck-aktuell-Redaktion, Verlag C.H. Beck, 1. Dezember 2011. )

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