Don't mess with Texas ;-) 1

25.10.2012
Die Texaner sind ja (auch wenn das sehr vereinfachend ist) für die USA ein bißchen sowas wie die Bayern für Deutschland... ;-)

Mit sehr viel (manche sagen auch: übersteigertem) "Landesbewusstsein" ausgestattet, manchmal etwas holzhammermäßig drauf, "rustikal" sozusagen, sie sprechen eine Sprache, die außerhalb der eigenen Grenzen kaum verstanden wird, sie waren in ihrer Geschichte schon mal stolz unabhängig, bevor sie Teil eines größeren Bundesstaates wurden (Bayern als eigenständiges Königreich, Texas als Republik 1835-45), sie sind eher konservativ, teilweise hinterwäldlerisch...

Trotzdem mag ich die Bayern. Mehr als so manche andere Volksgruppe in Deutschland.

Die Texaner... nun ja... da hatte ich bisher nur wenig Berührungspunkte, ich kenne aber z.B. eine gebürtige Texanerin (ehemaliges Fetischmodel), die immer recht heftig über diese ihre Herkunft flucht (sie kommt aus Houston)...

Aber gestern... gestern wurden mir die Texaner schlagartig richtig sympathisch, nachdem ich zunächst einen Moment lang "Hä???" gedacht hatte, dann etwas recherchierte, und danach erstmal schallend lachend am Schreibtisch saß.

Howdy, sozusagen.

Es gibt da eine Vorgeschichte, die man kennen muß.

Seit den 1970er Jahren gibt es die OSZE, die "Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa". Mitglieder waren ursprünglich einerseits die NATO-Staaten inkl. USA und Kanada, die Warschauer Pakt-Staaten, und die Neutralen in Europa. Inzwischen sind die ganzen Trümmerteile der ehemaligen UdSSR alle eigenständige Mitglieder.

Die OSZE hatte ursprünglich mal die Aufgabe, die Entspannungspolitik in Europa zu fördern und zu überwachen, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks fing sie dann an, die Demokratisierung im früheren kommunistischen Block zu unterstützen.

Soweit, so gut. Die OSZE schickt seit vielen Jahren Wahlbeobachter in die Mitgliedsstaaten, vor allem natürlich, um in Weißrussland, Ukraine, Kasachstan usw. zu gucken, daß da nicht allzu offenkundig geschummelt wird.

Der Neutralität halber laufen auch in Westeuropa bei Wahlen OSZE-Beobachter herum, in Deutschland z.B. ist das ja auch kein Problem, da sind Wahlen und die Auszählung öffentlich, jeder kann sich daneben stellen und gucken. Da guckt dann also der Wahlbeobachter aus Weißrussland, wie wir Deutschen wählen und die Stimmen auszählen. Warum auch nicht, vielleicht lernt er ja noch was dabei. Z.B. wie eine freie und geheime Wahl funktioniert.

In den Jahren seit 2002 hat die OSZE auch immer mal wieder die Wahlen in den USA beobachtet. Vermutlich, weil das eine schöne Dienstreise für die Europäer ist.

Dieses Jahr hat die OSZE angekündigt, Wahlbeobachter nach Texas zu schicken, zur Wahl am 6.November.

Auch das hat einen Hintergrund, den man kennen muß.

In den USA gibt es keine Meldepflicht und keine Personalausweise. Um in den USA wählen zu können, muß man sich rechtzeitig ins jeweilige Wählerverzeichnis eintragen lassen, und um die Wahlberechtigung nachzuweisen, legt man dann Dinge vor wie den Führerschein, die Stromrechnung, die Geburtsurkunde, die Einbürgerungsurkunde, was auch immer - die Amerikaner sind da sehr flexibel, Hauptsache es beweist ausreichend, daß jemand US-Bürger ist und da wohnt, wo er zu wohnen behauptet. Denn das entscheidet ja über die jeweilige Wahlberechtigung.

Und dann geht man mit seiner Registrierung ins Wahllokal und kriegt da seinen Stimmzettel (der gern mal 1,5 Meter lang ist, weil ja bis hin zum Abwasserbeauftragten der Gemeinde alle möglichen und unmöglichen Posten durch Wahl besetzt werden).

Vor einiger Zeit haben einige US-Bundesstaaten, darunter auch Texas, nun ihre Wahlgesetze geändert. Um Wahlbetrug zu verhindern, verlangt man jetzt im Wahllokal die Vorlage einer amtlich anerkannten "ID-Card".

Dazu zählen in den USA z.B.: der Reisepaß, die "Passport-Card", der Führerschein natürlich, Military-ID, Polizeimarke, u.ä.

Ist in Deutschland nicht anders, ohne Personalausweis oder Reisepass kann man hier auch nicht wählen.

In den USA ist das etwas problematischer, denn nicht jeder Bürger hat eine solche "ID-Card". Ja, es gibt Amerikaner ohne Führerschein. Insbesondere Menschen aus der Unterschicht, sozial schwache Gruppen etc. haben nicht immer eine solche ID-Card.

Dieses Problem wurde von verschiedenen US-Bürgerrechtsgruppen aufgegriffen, es wurde geklagt, und schließlich entschied der Supreme Court, der Oberste Gerichtshof: Nein, die Pflicht, eine ID-Card bei der Wahl vorzulegen, verletzt nicht die Verfassung der USA, die Bundesstaaten dürfen das so regeln, wenn sie das so regeln wollen. (Dazu muß man wissen, daß die Wahlgesetze in den USA allein Sache der Bundesstaaten sind - auch für die "Bundeswahlen".)

Diesen Hintergrund muß man dazu kennen...

Vor einigen Tagen nun hat der "Attorney General" des Bundesstaates Texas (das ist eine Art Kombination aus Justizminister und Generalstaatsanwalt), Mr. Greg Abbott, der OSZE einen freundlichen Brief geschrieben.

Darin steht: Er wisse nicht genau, was wie die OSZE sich ihre "Wahlbeobachtung" in Texas vorstelle, aber er wolle die OSZE vorsorglich darauf hinweisen, daß sich die OSZE-Wahlbeobachter in Texas exakt genauso wie jeder andere auch an die Gesetze des Staates Texas zu halten hätten.

Und weiter wolle er die OSZE darauf hinweisen, daß jeder OSZE-Wahlbeobachter, der in Texas ein Wahllokal betrete oder sich diesem näher als bis auf 100ft (30,5 Meter) nähere, damit rechnen müsse, verhaftet und Gericht gestellt zu werden...

??????????

Ist der Mann irre?

Nein. Durchaus nicht. Er macht nur das, wofür er gewählt wurde und bezahlt wird.

Das Wahlgesetz des Staates Texas (das übrigens sogar explizit die Institution des "Wahlbeobachters" kennt und regelt) sagt klipp und klar:

Ein Wahllkokal in Texas darf nur von Personen betreten werden, die im Wählerverzeichnis des jeweiligen Counties (Bezirks) eingetragen sind. Punkt. Alle anderen haben dort nix zu suchen.

Das gilt auch für die durchaus vorgesehenen "Wahlbeobachter", Parteien, Kandidaten und politische Organisationen können je zwei Wahlbeobachter pro Stimmbezirk benennen, die rechtzeitig angemeldet werden müssen, diese dürfen kein politisches oder Verwaltungsamt bekleiden, und sie müssen im Wählerverzeichnis des jeweiligen Bezirks eingetragen sein, wo sie tätig werden wollen. Klare Sache. Kann man so machen, kann man anders machen, aber zur Zeit ist das Gesetz nun einmal genau so.

Bei der OSZE ist man jetzt beleidigt.

Den Texanern ist das übrigens egal.

Die interessiert das nicht die Bohne, was man im Ausland über ihr Wahlgesetz denkt.

Irgendwie, ich muß es gestehen, finde ich das zutiefst sympathisch.

Oder, wie man in Texas zu sagen pflegt: "Don't mess with Texas!"

(Leg Dich nicht mit Texas an!)

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