Tipps für die Vor- und Nachbereitung 9

8 years ago
Ich versuche es mit einem konstruktiven Beitrag, der eine andere Sichtweise bietet als das ewige "ich bekomme kein Modell, die schreiben nie zurück" -- "dann musst Du halt lernen, bessere Bilder zu machen, bei mir ist alles toll." Etwas gegen den Frust.
Es geht darum, was man außerhalb der reinen Modellanschreiberei noch machen kann, um seine Shootings zu verwirklichen.
Ich sage nicht, dass meine Art die einzige Art ist, oder das ich ein begnadeter Fotograf bin. Aber ich bin jemand, der als Anfänger hier auch massig Probleme hatte, Modelle zu finden. Inzwischen sagen zwar nicht alle Modelle zu und ich bin auch nicht der tollste Fotograf der Welt, aber ich finde zumindest genug Modelle, um mich selbst mit Shootings auszulasten und meinen Spaß zu haben.
Fotografen, die ihren Stil und ihre Arbeitsweise schon gefunden haben und komplett ausgelastet sind, bringt der Post keinen Mehrwert. Aber gerade Anfänger können daraus hoffentlich was lernen.

Ich selbst habe eine sehr flexible, entspannte Herangehensweise ans Fotografieren. Es ist Hobby, es soll allen Spaß machen, und die Ergebnisse sollen für beide Seiten gewinnbringend sein. Deshalb habe ich nicht "das" Bild im Kopf, sondern bin flexibel in den Themen und Motiven. In diesem Sinn ist der Text geschrieben.

Location

Location ist sehr bildbestimmend. Sie bestimmt das Thema und ist daher essentiell für die Vorabstimmung. Ein Hotelzimmershooting bedingt einen anderen Stil als eine Lost Location als ein Studio.
Um Locations kann man sich unabhängig von Modellen kümmern, am besten schon im vorneherein. Selbst suchen, in entsprechenden Gruppen umgucken, bei anderen mithorchen, ausprobieren.
Wenn möglich sollte man eine Location alleine besuchen und vorher ein paar Fotos machen, bevor man ein Modelshooting dort macht. Dann kann man dort Ideen entwickeln und einen Gefühl für den Ort bekommen und ist beim eigentlich Shooting besser vorbereitet. Außerdem kann man die Bilder rumzeigen.

Es ist mir mehr als einmal passiert, dass ich tolle Modelle alleine durch meine Bilder von den Locations für ein Shooting gewonnen habe. Locationscouting ist gut investierte Zeit.
Ich habe inzwischen eine ganze Tabelle von Locations, kategorisiert und mit Zusatzinfos, so dass ich immer, wenn ich eine brauche, gucken kann, welche am besten passt.

Referenzbilder

Referenzbilder von anderen Fotografen helfen nicht nur der eigenen Ideenfindung von Posen, Facetten, Lichtsetups und Stimmungen, sie eignen sich auch hervorragend zur Kommunikation. Sie drücken aus, was man machen will, geben dem Modell eine Vorstellung, was sein könnte, und zeigen, dass man sich vorbereitet. Gemeinsam kommt man so schneller auf einen Nenner als durch tausend Worte. Dabei ist das Bild eine Hilfestellung für einzelne Aspekte -- Pose, Licht, Athmosphäre, Perspektive. Sklavisch ein Bild zu kopieren ist erstens schlechter Stil und zweitens geklaut.
Ich habe inzwischen ganze Stapel an Referenzbildern, auch sortiert nach Themen und Stilen. Und sammle kräftig weiter. Immer wenn ich denke "oh, das ist cool, sowas kann ich mir vorstellen", studiere ich das Bild, merke mir die wichtigsten Elemente, und speichere es ab.

Bildthema

Ich lege schon vor einem Shoot ein Bildthema fest, selbst wenn das konkrete Bild noch nicht in meinem Kopf existiert. Thema ist für mich nicht "Akt" oder "Fashion", sondern definiert sich um Atmosphäre, Bildstimmung und Assoziationen, z.B. Boudoirstil, glamoröses Portrait, Fantasy oder Postapokalypse. Dabei passe ich das Thema immer dem Modell an und versuche, anhand ihrer Sedcard und Eigenpräsentation rauszubekommen, was am besten passt.
Auch für Bildideen habe ich eine Tabelle, die ein paar Stichpunkte enthält. Dabei weiss ich, dass ich vieles jetzt gerade nicht realisieren kann, weil bestimmte Elemente fehlen. Aber vielleicht ergibt sich mal die Chance. Und wenn ich ein tolles Modell sehe, und mein Hirn gerade blank ist, was ich ihr anbieten kann, kann ich zumindest in meine Listen von Location, Referenzbildern und Themen gucken, um ein stärkeres Angebot zu machen als "ey, willst Du mal shooten".
Manchmal gibt es genau das Bild, das ich machen will. Bei einem meiner letzten Shoots habe ich Skizzen erstellt, um den Modellen und dem Rigger meine Ideen zu kommunizieren (war ein komplexes Bondage-Paarshooting).

Netzwerk

Der reale, physische Netzwerkeffekt ist wahnsinnig wichtig für mich. Dadurch kommen die meisten meiner Modellkontakte zustande. Manchmal sind es Modelle selbst über Stammtische, Fotowalks oder Modelltreffen. Aber oft genug nutze ich auch indirekte Kontakte. Im Bondagebereich kenne ich einige Rigger, die immer gerne Bilder von ihren Bondagekünsten haben -- die kennen ihre Modelle. Wenn man Visagisten, Bodypainter, Modedesigner, Location-Besitzer oder sonstwen kennt, der irgendwie zu einem Shooting beitragen kann -- umso besser. Gerade der Input von Dritten kann ein Shooting interessant für ein Modell machen. Letztens habe ich Kontakt mit einer Tierzucht aufgenommen, weil ich genau weiss, dass Modelle immer gerne mit Tieren arbeiten.
Kontakte zu anderen Fotografen sind so hrm. Manche sind sehr gut und man befruchtet sich. Allerdings ist das grundsätzliche Problem, dass viele Fotografen das gleiche haben und das gleiche wollen, deshalb ist der Synergieeffekt schwieriger.
Im Frühling und Sommer mache ich Outdoor-Shootings am liebsten zu zweit, wo man sich beim Fotografieren abwechselt. Das geht gut, wenn man einander kennt und sich vertraut. Ich halte es auch für eine sehr entspannte Art zu arbeiten, aus verschiedenen Gründen. Dann organisiert ein Fotograf das Modell, der andere die Location, und nach dem Shoot geht man zu dritt einen trinken.

Fotomappe

Bei irgendwelchen Treffen und Messen macht eine Fotomappe echt was her. Meine Erfahrung: Die muss gar nicht mal teuer sein. Eine enfache DIN-A4 Fotomappe mit 20-30 Bildern kostet nicht viel und hebt sich stark von Fotos auf dem Handy demonstrieren ab. Die physische Präsenz von DIN-A4 Fotos macht viel aus. Kann man ruhig potentiellen Modellen in die Hand drücken, durchblättern lassen und gucken, ob denen irgendwas gefällt. Das kann man als Einstieg benutzen, darauf kann man etwas aufbauen.

Klar, eine edle Ledermappe ist nochmals viel toller, aber schlussendlich zählt der Inhalt.

Visitenkarte

Ist eine kleine, einfache Sache, macht aber was her. Auch das zeigt wieder, das man sich als Fotograf ernst nimmt.

Effekte/Accessoirs

Es gibt viel "Krempel", der beim Shooten gut kommt und nochmals etwas besonderes aus den Fotos rausholt.
Tücher, Glaskugeln, Spielzeug (nicht das erotische), Nebel aus Nebelmaschinen, Kerzen, Farbfolie auf Blitzen, etc. Kostet alles ein bisschen was, aber meistens nicht die Welt, und sicherlich weniger als das nächste Objektiv.

Vorbereitung

Zwei Wahrheiten:
Vor dem Shoot ist ein Plan die wichtigste Sache der Welt.
Kein Plan überlebt Kontakt mit der Realität.

Ein Plan über Lichtsetzung, Posen, Einstellungen und Wirkung von Accessoirs gibt einfach Sicherheit. Beim Shoot bin ich oftmals so aufgedreht und muss mich aufs Modell konzentrieren, dass alles, was ich schon vorher durchdacht habe, mir Ruhe und Professionalität bringt. Nix ist blöder, als wenn die Traumfrau vor einem steht und nach der nächsten Pose fragt und man selbst ist einfach blank. Oder, noch schlimmer: man ärgert sich mit der Technik rum.
Vieles kann man schon vorher ausprobieren, gerade wenn man Effekte in Fotos benutzt: Wie funktioniert das mit dem Rauch, mit dem Gegenlicht, mit den Farben auf dem Blitz, mit den Kerzen, der Langzeitbelichtung, oder der High-Speed-Sync.
Wenn der Teil sitzt, tritt man viel stärker auf, das Modell gewinnt Zuversicht, und das spiegelt sich in den Ergebnissen wieder.
Dabei ist es total egal, ob man genau das macht, was man geplant hat. Es ist wichtig, dass man den Plan hat, auf den man zurück fallen kann. Die meisten meiner Fotos habe ich nicht "genau so" geplant. Die Ideen sind mir beim Shooting gekommen, weil ich gelassen genug war, um sie auszuprobieren.

Technik muss sitzen. Blitze, Blitzempfänger, Ersatzbatterien, das funtzen, ohne großes Gefummel. Da ist mir in der Vergangenheit öfter was schiefgegangen, und nichts stresst als Fotograf so sehr und versaut das Shooting mehr, wie wenn die Technik nicht funzt. Kann man mit guter Vorbereitung vermeiden.

Abstimmung

Ähnlich wie bei der Vorbereitung: So genau wie möglich mit dem Modell die gegenseitigen Erwartungen abstimmen. Kleiderauswahl lieber etwas mehr als weniger. Wenn beide dann während des Shootings Bock haben, doch etwas anderes zu machen, ist das auch gut, aber zuminest hat man durch die Abstimmung ein Fundament, auf dem man aufbauen kann.

Nachbereitung

Hier hat natürlich jeder seine eigene Präferenz und seine eigene Einstellung. Meine ist: Fotografie ist ein Hobby, alle Beteiligten sollen zufrieden sein und meine Bilder haben keinen kommerziellen Wert, sondern nur einen ideellen.
Ergo kann ich auch alle unbearbeiteten Bilder den Modellen direkt nach dem Shoot zur Verfügung stellen. In gewissem Rahmen können sie auch aussuchen und selbst bearbeiten. Ich selbst habe keine große Angst davor, dass sie ein Bild posten, welches ich selbst nicht für das große Meisterwerk halte. Wenn ihre Freundin das toll findet und deshalb mit mir shooten will, umso besser. Wenn andere Fotografen über die Inperfektion lästern, ist mir das egal -- die will ich ja nicht shooten.

Das erste Bild bearbeite ich meistens gleich nach dem Shoot und schicke es am gleichen Tag an die Beteiligten. Das erhöht die Laune und die Bereitschaft, wieder mit mir zu shooten, ungemein.
Mein derzeitiges Stammmodell shootet auch deshalb so gerne mit mir, weil sie die Ergebnisse direkt sehen kann und schnell etwas bekommt.
In besonderen Fällen schicke ich dem Modell auch DIN-A4 Abzüge an ihre Adresse. Kostet einen Zehner, das Modell findet es toll und hat etwas Handfestes, das sie an unser Shooting erinnert. Exzellente Basis für das nächste Shooting.




Soviel meine persönlichen Erfahrungen und Tipps, die mir selbst helfen, bei meiner Fotografie weiter zu kommen. Dabei habe ich bewusst nicht den Fokus auf Fototechnik gelegt und die eigentliche Modellakquise nur am Rande betrachtet. Denn meine Erfahrung ist: Wenn alles andere stimmt, dann klappt's auch mit den Modellen.

Was sind Eure Tipps für davor und danach?
8 years ago
Sehr umfassend und strukturiert aus meiner Sicht passend zusammen getragen! Mit coolen Tips.
Du hättest gleich ein kleines Booklet drucken lassen sollen!

Ein Aspekt, den man ggfs ergänzen könnte wäre in der Vorbereitungsphase einen TfP/Pay Vertrag auszutauschen und ggfs offene Punkte zu besprechen?

Ich hatte anfangs auch immer noch eine Checkliste für die Technik. Die braucht man mit der Zeit nicht mehr.
[gone] schallkoerper fotografie
8 years ago
wenn ich Deinen Text lese frage ich mich ernsthaft was ich eigentlich mache…z.b. mache ich seit ich in der MK bin meinen kleinen Fotospaziergang…der findet in den kleinen szenigeren Ecken Hamburgs statt und praktischerweise wohne ich ziemlich nah dran. ich überlege mir fast nie wo es genau lang geht weil, immer wenn ich das gemacht habe habe ich mich irgendwie verheddert….ich bevorzuge eher das Zufallsprinzip...sehen wo man hintreibt…natürlich kenne ich dadurch viele kleine Ecken, habe also das Locationscouting in diesem Bereich akiv jahrelang betrieben…

Vorteil ist das viele Menschen die ich fotografiere ihre Umgebung dadurch anders wahrnehmen und das auch spannend finden. und nebenbei bin ich schon recht fix…nach 45 bis 60 Minuten ist normal alles vorbei, ich fotografiere nicht mehr aus der Unsicherheit weiter vielleicht noch nichts gutes zu haben.

ich kenne Menschen die machen gerne was mit mir weil es nicht gleich den ganzen Tag zerschießt. und Bilder gibt es normal auch relativ schnell. kann mal passieren das n ganzer Haufen am selben Tag kommt. auch darüber freuen sich Menschen vor der Kamera…schnell Bilder kriegen, nicht hinterherlaufen müssen und auch nicht das Gefühl haben da sucht jemand echt nur das aus was ihm gefällt.

aber ich denke auch: wer unsicher ist sollte nicht einfach drauflos laufen sondern sich ne Location suchen, die überschaubar ist aber genug bietet um dort unterschiedliche Bilder zu machen.

ne Checkliste für die Technik ist aber für den Neuling nicht verkehrt…"ist das zweite Akku dabei und ist es auch aufgeladen?“ haette da bei mir zwingend draufgestanden :)

naja das so ein wenig Brainstorming meinerseits…
8 years ago
Respekt Jochen . Respekt !
Wer sich soviele Gedanken um das Fotografieren macht,
(und es dann auch realisiert ! ) - der hat zwangsläufig Erfolg.
Viel Spaß weiterhin !
Bin kein Fotograf, sondern Model, aber Tipps hab ich trotzdem wenn es um Shootings im eigenen Studio geht:

- wenn Platz vorhanden ein kleiner Tisch und Sessel, wo gutes Licht ist, Taschentücher bereit liegen und vielleicht sogar etwas zu trinken für das Model. Taschentücher, kleiner Spiegel und was zu trinken hab ich zwar als Model selbst mit, finde es aber toll wenn sich ein Fotograf auch in die Richtung vorbereitet hat.
Mann glaubt gar nicht wie toll ein Sessel ist wenn man sich hohe Schuhe anziehen will ;)

- zum Umziehen ist ein Paravan prima, und ein großer Spiegel, damit man selbst sieht ob das Outfit stimmig ist.

- bei "nassen" Shootings Haarföhn und Handtücher bereit halten.

Und dran denken dass dem Model viel schneller kalt ist als dem Fotografen - bei "nassen" Shootings noch viel mehr, bei "nassen" Shootings mit Kleidung sogar am meisten.
8 years ago
Herzlichen Dank an den TO für diese ausführliche Ausarbeitung , die auch mir noch den einen oder anderen nützlichen Hinweis gebracht hat !

Für Outdoor-Shootings habe ich übrigens einen großen , klappbaren dreiteiligen Spiegel im Auto , der mal an der Rückseite einer Schlafzimmer-Kommode befestigt war , die auf den Sperrmüll sollte . Da freut sich das Model , besonders wenn Outfit-Wechsel vorgesehen sind , daß sie nicht auf den Rückspiegel oder einen kleinen Handspiegel angewiesen ist , sondern sich fast ganzkörper sehen kann .
8 years ago
Finde ich super, dass hier auch mal ein Tipp von einem Modell kommt!

Ergänzungen gibt es natürlich vielevieleviele. Zum Thema "Kommunikation mit Modellen", "Verhalten beim Shoot" und Vertrag habe ich gar nichts gesagt. Fokus habe ich auf die reine Vorbereitung gelegt.

Aber auch andere Tipps sind willkommen.
#8
Sehr guter Eintrag des TO.
Als ich vor einigen Jahren bei MK anfing, konnte ich mich vor Shootings kaum retten. Gute Ideen, krasse Locations. Hörner abstoßen. Hat wunderbar funktioniert mit teils tollen Ergebnissen.
Aber man muß sich natürlich auch weiter entwickeln, je nachdem, wie der Geldbaum im Garten das zuläßt, Software, Hardware, Equipment etc. Und natürlich Ideen. Angesichts des offenbar vorhandenen Budgets und Fähigkeiten der Kollegen ist es wohl bei einigen Models Usus geworden, erstmal in die Tasche des/der Fotografen/in greifen zu wollen.
Ich bin nicht arrogant genug, daß ein Shooting eine pure Gefälligkeit ist, aber ein gewisser Respekt gegenüber dem /der Fotografen/in oder dem Model sollte doch einvernehmlich erkennbar sein.

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