Photojournalism Behind the Scenes 13

[gone] User_224666
7 years ago
Dass ich Räume und Menschen verändere, in dem ich sie meiner Bildidee und meinem Bildausschnitt unterwerfe, ist mir klar - gehört zum Handwerkszeug. Das Photojournalismus - unabhängig vom Neutralitätsanspruch - genauso arbeitet zeigt  dieses   Insider-Video von Ruben Salvadori - manchmal braucht man eben einen kleinen Schubs um das Offenkundige zu sehen...
7 years ago
Vielen Dank für die Video-Empfehlung. Sehr sehenswert. Es zeigt einen Aspekt, den ich noch nie so realisiert habe.
7 years ago
geht mir auch so. viele bilder im journalismus nimmt man so hin, ohne sie weiter zu hinterfragen. eigentlich peinlich, vor allem, wenn man selber knipst.
[gone] K A U S E
7 years ago
http://newsimg.bbc.co.uk/media/images/39005000/jpg/_39005839_canteen203ap.jpg

Das Bild wird gerne für die Macht des Ausschnitts genommen, mal mit mal ohne Wasser gebenden Soldaten.

 
7 years ago
Ja interessant...

Auch unter den Photojournalisten gibt es natürlich einen Konkurrenzkampf, es muss halt was verkauft werden... 
Solche "gestellten" Fotos in ungefährlichen Situationen sind da ja nur die Spitze des Eisbergs...

Hollywood hat das ja auch schonmal thematisiert...
https://www.youtube.com/watch?v=xumg3OqTSgk
7 years ago
Es gelingt auch Photojournalisten selten "neutrale Beobachter" zu sein, selbst wenn sie es von sich glauben und sich bemühen
Ein Foto ist immer nur ein Auschnitt, ein Moment eines Geschehens und da drückt der Fotograf seinen Stempel drauf.
Die Zeitungen die das Foto dann veröffentlichen drücken ihrerseit ihren Stempel drauf in dem sie Einfluss auf die Auswahl nehmen.
Das eine wird nicht gezeigt weil *nicht hart genug* und ein anderes auch nicht weil *zu hart für die Leser*
Ein anders würde (objektiv gesehen) die Wahrheit zeigen, aber diese Wahrheit passt eventuell nicht in das Weltbild der Zeitung, der Leserschaft oder auch den Anzeigenkunden einer Zeitung.

Man kann sich also immer nur so vielfältig wie möglich informieren und nie einer einzigen Quelle vertrauen.


Das Fotoreporter auch möglicherweise was fäschen oder die Wahrheit *zurecht biegen* ist ebenfalls ain Uralt-Thema.
Zum Beispiel wurde das  Foto eines gefallenen Soldaten von Robert Capa lange nach der Enstehung auf  *objektive*  Wahrheit geprüft...nahezu seziert. Zeugen befragt, Landschaft verglichen....nun gibt es n paar verschieden Versionen einer Geschichte zum Bild
7 years ago
Bildjournalismus kann wie jeder anderer Journalismus immer nur der Versuch sein, so objektiv und neutral wie möglich zu berichten.

Den ersten, ganz erheblichen, Einfluss nimmt ein Bildjournalist ja schon dadurch, daß er sich entschließt, ein bestimmtes Ereignis in einer bestimmten fototechnischen Weise zu fotografieren. Er nimmt weiter Einfluss dadurch, welche Augenblicke er für Fotos auswählt. Er nimmt Einfluss durch Bildausschnitt, Perspektive - und den Bildtext, den er mitliefert. (Mitliefern muss...)

Das ist nicht anders als beim Textjournalisten, der ja auch auswählt, was er für berichtenswert hält, und in welchem Umfang.

Dann hat der Bildjournalist dadurch einen Einfluss auf bestimmte Ereignisse allein dadurch, daß er anwesend ist. Das gilt für den Textjournalisten im Prinzip ganz genauso - das Ratsmitglied wird sich anders in seinen Äußerungen präsentieren, wenn es weiß, daß ein Redakteur der Lokalzeitung anwesend ist und ihn wörtlich zitieren oder sein Auftreten im Rat thematisieren könnte.

Der "Einfluss durch pure Anwesenheit" ist bei Fotografen und TV-Teams allerdings deutlich größer als bei Text-Journalisten - mit Kamera(s) fällt man mehr auf, und die Anwesenden können auch leichter nachvollziehen, worauf sich das Interesse des fotografierenden/filmenden Berichterstatters konzentriert.

Drittens wissen Veranstalter, von was auch immer, mittlerweile sehr gut, durch schlichte technische Maßnahmen in die Bildberichterstattung einzugreifen - auch da bewirkt der Bildjournalist wieder durch seine pure Anwesenheit eine Veränderung des Ereignisses.

Ein simples Beispiel, da brauche ich nur in mein Archiv zu gucken: Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre fanden Wahlkampfveranstaltungen in kleineren und mittelgroßen Veranstaltungsräumen gern vor ausgeblichenen graubraunen Vorhängen statt. Man stellte für den Redner ein Rednerpult auf, mit Mikro, und als Pressefotograf war man schon glücklich, wenn irgendjemand von der Partei ein kleines Schildchen mit dem Parteilogo an das Pult gepappt hatte. Sieht ja besser aus auf einem Foto...

Irgendwann kamen die ersten auf die Idee, im Hintergrund, dort wo sie den Hintergrund auf den Pressefotos vermuteten, ein größeres Schild mit dem Parteilogo aufzuhängen. Und in großen Hallen hatte man immer schon den Wahlkampfslogan. Aber gern immer noch sonst den "nativen Hintergrund", in besagtem Graubraun.

Heute sorgt z.B. die SPD dafür, daß ihr Kandidat, bis runter auf die Kreisebene, vor dem bekannten SPD-Rot auftritt. Den SPD-Politiker im Wahlkampf oder auf einer sonstigen Parteiveranstaltung so zu fotografieren, daß er nicht vor SPD-Rot steht, natürlich mit weißem SPD-Logo darauf, ist geradezu eine Kunst geworden... Die ganze Szenerie wird optisch getunt, für die Fotografen. Achtet mal darauf, wie sehr Fotos von SPD-Politikern hinter Mikrofonen, an Rednerpulten, vom "SPD-Marken-Rot" dominiert werden. Fast immer... Klassische Werbestrategie. Ich muss irgendwann gar nicht mehr "Telekom" sagen oder schreiben - das Magenta allein reicht in vielen Zusammenhängen schon aus.

Das ist letztlich nichts anderes, als wenn der Verkehrsminister in Zeitlupe für die Fotografen das Band bei der Einweihung des nächsten Autobahnkilometers durchschneidet. Der Ministerpräsident setzt sich bei der Eröffnung der Bauausstellung in die Kabine eines Baggers und darf ein bißchen an den Hebeln ziehen. Würde er wohl nie machen, wenn keine Fotografen anwesend wären. Die aber haben so lange wieder und wieder bei solchen Gelegenheiten genölt "Herr Ministerpräsident, setzten Sie sich doch mal in die Baggerkabine!", weil das ein spannenderes Foto gibt als den MP beim Rundgang auf der Messe, bis sowohl Messeveranstalter als auch Politiker als auch deren Referenten eines Tages begriffen hatten: wir müssen Bilder liefern!!!

Also macht man es möglich, daß Bilder geliefert werden. Und es gibt jede Menge Ereignisse, die werden überhaupt nur gemacht, um Bilder zu liefern.

Aber auch außerhalb des Bereichs der "großen Politik"... natürlich setzen sich Demonstranten, manche jedenfalls, mehr und auch militanter in Szene, wenn sie wissen, daß sie - gut vermummt - damit ins Fernsehen kommen, oder auf die Titelseite. Eitelkeiten allerorten.

Greenpeace hat es vorgemacht - die organsieren reihenweise "Protestaktionen", die nur dazu dienen, Bilder zu produzieren. Sonst nix. Denn Bilder sind mächtig, mächtiger oft als Worte.

In Pakistan und Jordanien (und nicht nur dort) kann man Demonstranten samt US-Flaggen mieten. Die rufen dann fünf Minuten "Tod Amerika!" in die Kameras und verbrennen die US-Flaggen, bis alle ihre Bilder im Kasten haben, und dann gehen sie mit ein paar Dollars (sic!) in der Tasche wieder nach Hause...

Der US-amerikanische Fotograf McGrath, las ich mal, war fest davon überzeugt, daß 1971 in Ost-Pakistan (Bangla Desh) gefangene pakistanische Soldaten nur deshalb ermordet wurden, weil Kameras anwesend waren. Er selbst fotografierte nicht, aber einige Kollegen von ihm taten es.

Bilder sind oft mächtiger als Worte. Das bringt eine hohe Verantwortung mit sich, sowohl für Fotografen als auch vor allem für die Redakteure, die später die Bilder für die Veröffentlichung auswählen. Der Fotograf vor Ort kann immerhin noch sagen: "Ich nehme erstmal alles auf, zum Abwägen fehlt mir hier die Zeit. Das muss später geschehen." Der Redakteur kann das eigentlich nicht mehr als Entschuldigung vorbringen.
7 years ago

Bilder sind oft mächtiger als Worte. Das bringt eine hohe Verantwortung mit sich, sowohl für Fotografen als auch vor allem für die Redakteure, die später die Bilder für die Veröffentlichung auswählen. Der Fotograf vor Ort kann immerhin noch sagen: "Ich nehme erstmal alles auf, zum Abwägen fehlt mir hier die Zeit. Das muss später geschehen." Der Redakteur kann das eigentlich nicht mehr als Entschuldigung vorbringen.
 

Beim ersten Satz stimme ich Dir 100 prozentig zu. Bzgl des Verhaltens des Fotografens muss jeder für sich entscheiden, was für die Redaktion relevant ist, sein könnte und was wahr und was über die Grenzen seiner Ethik und Moral manipuliert ist. 
Ja, er kann in meinen Augen mit seinen Aufnahmen eine sehr große Hebelwirkung entfalten. Dieser Verantwortung sollte er sich bewusst sein bei seiner Berufung. 


 
7 years ago

Bilder sind oft mächtiger als Worte. Das bringt eine hohe Verantwortung mit sich, sowohl für Fotografen als auch vor allem für die Redakteure, die später die Bilder für die Veröffentlichung auswählen. Der Fotograf vor Ort kann immerhin noch sagen: "Ich nehme erstmal alles auf, zum Abwägen fehlt mir hier die Zeit. Das muss später geschehen." Der Redakteur kann das eigentlich nicht mehr als Entschuldigung vorbringen.
 

Beim ersten Satz stimme ich Dir 100 prozentig zu. Bzgl des Verhaltens des Fotografens muss jeder für sich entscheiden, was für die Redaktion relevant ist, sein könnte und was wahr und was über die Grenzen seiner Ethik und Moral manipuliert ist. 
Ja, er kann in meinen Augen mit seinen Aufnahmen eine sehr große Hebelwirkung entfalten. Dieser Verantwortung sollte er sich bewusst sein bei seiner Berufung. 

Je weiter sich der Fotograf und die Redaktion von der "Wahrheit" entfernt, desto größer wird die Gefahr, dass der Journalismus vermehrt pauschalisiert als Lügenpresse abgestempelt wird! 


 
7 years ago
Vorweg, OT: Henrik - die Zitatfunktion des MK-Forums ist wirklich die absolut größte Oberscheiße auf diesem Planeten, bau bitte ENDLICH eine vernünftige, nach normalen Standards funktionierende Zitatfunktion ein. Ein falscher Klick beim Editieren, und alles ist weg... Das ist einfacher ein unglaublicher Murks, den Du da eingebaut hast. Jede 08/15-PHP-Forums-Software kann das um Welten besser...
Bilder sind oft mächtiger als Worte. Das bringt eine hohe Verantwortung mit sich, sowohl für Fotografen als auch vor allem für die Redakteure, die später die Bilder für die Veröffentlichung auswählen. Der Fotograf vor Ort kann immerhin noch sagen: "Ich nehme erstmal alles auf, zum Abwägen fehlt mir hier die Zeit. Das muss später geschehen." Der Redakteur kann das eigentlich nicht mehr als Entschuldigung vorbringen.

Beim ersten Satz stimme ich Dir 100 prozentig zu. Bzgl des Verhaltens des Fotografens muss jeder für sich entscheiden, was für die Redaktion relevant ist, sein könnte und was wahr und was über die Grenzen seiner Ethik und Moral manipuliert ist.

Ein Fotograf kann genau wie ein Texter nur sehr begrenzt vor Ort entscheiden, was relevant für die Redaktion ist oder sein könnte. Eine Redaktion schickt Mitarbeiter los, die zehnmal mehr Material mitbringen sollen, als überhaupt verwendet werden kann. Und oft steht überhaupt erst kurz vor Redaktionsschluss fest, was in welchem Umfang gebracht wird.

Ein kleines Beispiel aus der Praxis: Anfang der 1980er Jahre arbeitete ich als Freelancer-Fotograf für eine Regionalausgabe der KIELER NACHRICHTEN. Überwiegend machte ich Fotos, manchmal lieferte ich auch Texte zu meinen Fotos. Die festangestellten Redakteure schätzten mich, weil ich nicht nur zuverlässig recht gute Fotos anlieferte, sondern vor allem auch journalistisch mitgedacht habe.

Ich hatte den Auftrag, Fotos von der Anlieferung des neuen Computertomographen für das örtliche Kreiskrankenhaus zu machen. Man hatte ein großes Loch in die Außenwand im zweiten Stock gemacht, und das Riesentrum wurde mit einem Tieflader aus den Niederlanden angeliefert und von einem großen Autokran dann ins Haus gehoben - durch das Loch an seinen künftigen Standplatz.
Ich machte nur die Fotos, den Text schrieb der Redaktionsleiter am Schreibtisch in der Redaktion. Ich war also vor Ort, und so bekam ich mit, wie der Chefarzt lachend erzählte, daß sich der Fahrer des Tiefladers an der Krankenhausrezeption gemeldet hatte, und seine Sekretärin ihm sagte, der Pförtner habe gerade angerufen "Da ist ein Spediteur mit einem Paket aus Holland!"

Mir war sofort klar: einen schöneren Aufmacher für die Story gibt's nicht.  Also hängte ich einen Zettel mit dem Zitat an die Fotos. Der Redakteur machte daraus nicht nur seinen Aufmacher, sondern auch die Schlagzeile... Ein paar Tage später sagte er zu mir "Übrigens vielen Dank für den Zettel mit dem Zitat, das war klasse!"

Vor Ort habe ich einfach nur entschieden: ich finde das witzig. Das ist doch genial. Ich vermute, daß andere das auch so sehen könnten. Es hätte auch genausogut ein Redakteur sagen können "Nee, das ist zu viel Boulevard, wir sind ein seriöses Blatt!" Ich hätte das auch nicht übel genommen, ich liefere in so einer Situation einfach Rohware an.

Der Reporter vor Ort soll Fotos machen, Informationen sammeln. Die Entscheidung, wie diese dann verwendet werden, die muss wenn irgendmöglich mit mehr Distanz, mit mehr Ruhe getroffen werden, mit Abwägung. In der Redaktion. Nicht vor Ort. Vor Ort ist man viel zu sehr involviert in das Geschehen.

Vor Ort soll der Reporter soviel Material sammeln wie nur möglich. Aussortieren kann man hinterher - aber das, was ich nicht fotografiert habe, kann ich nicht mehr nachholen, wenn man sich hinterher dann doch anders entscheidet. Hinzu kommt, daß man vor Ort nicht selten unter Zeitdruck und anderem Stress arbeitet. Wenn drei Meter vor mir der Unfalltote auf dem Asphalt liegt, dann habe ich vielleicht nur 30 Sekunden Zeit, ein paar Fotos zu machen, bis sich ein Polizist in den Weg stellt oder einer die Leiche abdeckt. Da habe ich nicht die Zeit für berufsethische Abwägungen. Die sind später dran. Ein paar grundsätzliche Fragen muß man sich in einer ruhigen Stunde stellen und beantworten, vor Ort lautet die Devise "Hau drauf!" Du weißt nämlich noch gar nicht, als wie wichtig sich eine Sache herausstellen kann.

Und selbst wenn es die übliche Praxis ist, keine Leichen oder nur abgedeckte Leichen zu zeigen - ich weiß in dem Moment, wo ich fotografiere, niemals, ob nicht ein paar Stunden oder ein paar Tage später sich alle einig sind: Ja, das ist die eine Ausnahme. Hier ist es journalistische Pflicht, das zu zeigen, das wir sonst nicht zeigen.

Nur mal als Beispiel. Und deshalb lautet speziell für Pressefotografen das oberste Motto immer: "Nimm's einfach mit - du weißt nicht, ob es noch mal wichtig wird!" Aussortieren kann man immer, nacharbeiten nur äußerst selten...

Ja, er kann in meinen Augen mit seinen Aufnahmen eine sehr große Hebelwirkung entfalten. Dieser Verantwortung sollte er sich bewusst sein bei seiner Berufung.

Wenn ein Journalist anfängt, sich bei seiner Arbeit zu viele Gedanken darüber zu machen, welche Wirkung sein Text, sein Foto wohl haben könnte, fängt er genau damit an: zu manipulieren.
Hans Joachim Friedrichs hat es schöner formuliert als sonst irgendjemand: Ein Journalist darf sich mit keiner Sache gemein machen. Auch nicht mit einer guten.

Ein anderes Beispiel: ganz zu Beginn meiner Journalisten-Karriere versuchte ich den Einstieg als Freelancer in die Lokalberichterstattung, und da natürlich auf Gebieten, die nicht so gut von den etablierten Redakteuren besetzt waren. Das war damals z.B. die...links-grüne-alternative Szene vor Ort. Ich hatte Connections in die Szene, über Freunde und Bekannte. Also machte ich viel in dem Gebiet.
Vor Ort hatten sich engagierte Leute aus der "Szene" zusammengetan, eine alte Elektro-Werkstatt zu mieten, zu renovieren und zu einer "Kulturwerkstatt" aufzubauen. Da hängte ich mich berichterstattungsmäßig rein.
Es gab dann an einem Samstag einen Tag der offenen Tür, während der Bauarbeiten, ich machte schöne Fotos, und einen sehr positiven Text, es war ja eine gute Sache, und beide Lokalzeitungen brachten das. Am Montag.

Dienstag war die Baustelle vom Bauamt versiegelt, und ein Bauverbot ausgesprochen.

Was war passiert? Erstens hatten die angefangen, den Laden schon mal umzubauen, ohne die nötige Baugenehmigung auch nur zu beantragen, geschweige denn zu haben, und zweitens liefen da jede Menge links-grün-alternative Kinder auf der Baustelle herum.
Was nicht sein darf

In meinem guten Willen, die gute Sache journalistisch zu unterstützen, hatte ich das Gegenteil erreicht. War alles reparabel, es gab dann eine Baugenehmigung, und zwei Jahre nach Eröffnung war die Kulturwerkstatt wieder dicht, das Engagement war dann doch nicht so doll, aber egal.

Die Frage ist indessen: was kann und soll man daraus lernen?

Soll der Berichterstatter sagen: "Äh... liebe Leute, auf jeden Fall nehmt bitte mal die Kinder aus dem Bild, sonst kriegt Ihr Ärger mit den zuständigen Behörden! Und habt Ihr eigentlich schon eine Baugenehmigung? Nein? Dann muss ich das anders formulieren - dann schreibe ich 'Die engagierten Aktivisten besichtigten eine alte Werkstatt, die vielleicht...' ..."

Die auf diese Erfahrung folgenden drei, vier Jahre hätte ich das so gemacht. Irgendwann habe ich dann begriffen, daß genau das journalistisch hochgradig unethisch ist.

Es ist mein Job, zu berichten. Es ist nicht mein Job, mir Gedanken darüber zu machen, welche Folgen die Berichterstattung vielleicht haben könnte. Genau da fängt nämlich die Manipulation an. "Das darf ich nicht bringen, das schadet doch der guten Sache!" Bullshit. Das beste, das ich für eine gute Sache als Journalist tun kann, ist es, so kritisch und unvoreingenommen wie möglich über sie zu berichten.

Die "New York Times", auch wenn mir ihre Berichterstattung über Trump massiven Brechreiz verursacht hat, hat da immer noch das beste journalistische Motto:

All the news that's fit to print.

Was zweierlei meint: erstens all die Nachrichten, die "fit" sind, also ausreichend ausrecherchiert, um gebracht zu werden. Und zweitens all das aus dem breiten Angebot der Nachrichten, das ins Blatt passt. Platzmäßig, thematisch, konzeptionell.
7 years ago
Je weiter sich der Fotograf und die Redaktion von der "Wahrheit" entfernt, desto größer wird die Gefahr, dass der Journalismus vermehrt pauschalisiert als Lügenpresse abgestempelt wird!

Dazu gab's gestern in der "Anstalt" (ZDF) einen wunderbaren Spruch:

"Genau dieselben Leute, die sich über den postfaktischen Umgang mit der Wahrheit beklagen, geben zu Hause ihren Kindern dann Globuli..."
7 years ago
Danke Tom für Deine vielschichtige Antwort. Du bist eine wirkliche Bereicherung für das Forum und die hier diskutierten Themen.
Du hast völlig Recht mit dem was Du schreibst. 
Ich halte es nur für sehr kritisch wie in dem Film gezeigt, Auseinandersetzungen werbewirksam zu inszenieren, nachzuspielen und so auf eine Art und Weise zu manipulieren, um Auflage zu erhöhen. ...

Hast Du mal darüber nachgedacht ein Buch zu Schreiben über Deine Erfahrungen ;-) ich denke ich würde es lesen! 

nur das mit den Globulis habe ich nicht wirklich verstanden ;-) 
 
7 years ago
Ich halte es nur für sehr kritisch wie in dem Film gezeigt, Auseinandersetzungen werbewirksam zu inszenieren, nachzuspielen und so auf eine Art und Weise zu manipulieren, um Auflage zu erhöhen.

"Auseinandersetzung inszenieren" bedeutet für mich:
ein Bildjournalist sucht sich ein paar Neonazis und bringt die mit Geld, mit Bonbons oder der Verheißung "Das gibt geile Bilder, ich bring Euch auf die Titelseite!" dazu, vor einer Flüchtlingsunterkunft zu randalieren.
Das ist berufsethisch völlig inakzeptal, ggf. auch strafbar - aber auch nur selten das Problem.

In der Praxis ist es eher so, daß die randalieren wollen und vorher das Peesseleuten stecken, so daß die Randale auch "Presseaufmerksamkeit" hat und die Knipser nicht erst kommen, wenn schon alles vorbei ist.

DA wird es "berufsethisch" deutlich schwieriger, Stichwort "Informantenschutz". Der sollte dem Journalisten nicht nur heilig sein, sondern auch völlig neutral gehandhabt werden. Sonst wird man nämlich a) Partei und b) nicht mehr informiert...  Ich persönlich finde a schlimmer als b...

Journalisten werden immer instrumentalisiert, bzw. man versucht es. Bei Bildern vielleicht noch mehr als bei Textern. Vielleicht liegt letzteres daran, daß die "Bilderleute" gerade in Deutschland bis heute journalistisch weniger angesehen sind als die Texter. Während die Manipulateure schon lange begriffen haben, daß die Wirkung von Bildern fast immer stärker ist als die von Texten.

Das meine ich auch z.B. mit dem Greenpeace-Beispiel. Wenn die einen toten Delphin vors Kanzleramt schleppen, ist die inhaltliche journalistische Relevanz des Ereignisses objektiv gleich null. Keinen Quadratmillimeter Zeitungspapier wert. Relevant wäre es, die 800-Seiten-Studie zum Thema Müll & Meeressäuger journalistisch so aufzuarbeiten, daß der Leser zumindest ganz grob über alle Apekte informiert wird. Auch über die, die Greenpeace aus ideologischen Gründen bzw. zwecks Spendensammeln ausblendet, und auch über die, die die Industrie aus wirtschaftlichen Gründen ausblendet.

Aber das macht Mühe, und Greenpeace weiß genau, daß man mit einem Event, wo die Agenturfotografen und Freelancer in 10 Minuten supertolle "Ach wie furchtbar-Fotos" machen können, das Thema abräumen kann...
Es gibt eine hervorragende TV-Doku über die erfolgreiche Manipulation der Journalsten durch Greenpeace in der "Brent Spar"-Affäre. Eine Spiegel-TV-Reporterin sagte später dazu, Greenpeace habe die Reporter übler und massiver "embedded" und manipuliert als das US-Militär im 2.Golfkrieg. Mal sehen, vielleicht finde ich die irgendo im Internet.

Ich bin aber der letzte, der sagt: das sollte man nicht fotografieren. Das muss man fotografieren. Aber dann müssen Redakteure hinter nachdenken und entscheiden: Ist das journalistisch relevant? Man braucht die Bilder - und sei es, um bei Gelegenheit mal im Feuilleton den Artikel über die Medienmanipulationen durch wohltätig-gemeinnützige NGOs zu illustrieren...
Ein guter Bildjouenalist guckt aber genau hin, und auch in die entgegengesetzte Richtung.
Und das bedeutet, daß er NICHT mittels Fotohandwerk die 8 Greenpeace-Hanseln so aussehen lässt, als hätte eine große Menschenmenge unter Führung wackerer Greenpeace-Aktivisten mit einem Delphin-Kadaver das Kanzleramt belagert, so daß sich dessen Insassen aus Furcht vor dem gerechten Öko-Volkszorn fast in die Hosen gemacht hätten.
Sondern er zeigt dann eben ggf., daß da 8 Hanseln mit einem verwesenden Flipper, umringt von 50 Medienvertretern, zehn Minuten in gebührendem Abstand vorm Kanzleramt rumstanden, und sonst hats keinen interessierr, und am Ende  durfte die Stadtreinigung den Dreck wegmachen...

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