Die bösen Models machen lieber Selfies? ;) 201

5 years ago
Ich sehe nicht die Selfis als Problem an, sondern den Trend, der die (potentiellen) Modelle zu den Selfis hingeführt hat. Ich schaue zwar nicht häufig auf die Sedcards der Fotografen - aber zu bestimmten Anlässen eben doch. Sehr häufig sehe ich dann einen Mix aus:
1. technisch einwandfreien Studioaufnahmen, die meist beweisen, dass ein Fotograf, der ein Studio mietet oder sich selbst eine Ausrüstung kauft, durchaus auch gelernt hat, mit den Möglichkeiten umzugehen.
2. "Available Light"-Indoor-Aufnahmen, die meist zeigen, dass der Fotograf in der Lage ist, aus der Not (kein Studio, keine Studioausrüstung) eine Tugend zu machen. Natürlich wird er dabei unterstützt durch de rasante Entwicklung von Chips, die in der Lage sind mit hohen Lichtempfindlichkeiten, die früher in der analogen Fotografie unmöglich bis exotisch waren, Bilder zu machen. Es "gelingen" Bilder, denen man die Schwächen vielleicht beim Abzug auf ein Format >A4 ansieht - nicht aber in Größen, wie sie im www üblich sind.
3. "Outdoor-Portraits". Die Grundidee aller dieser Fotos ist, dass Fotograf und Modell sich an einer örtlichen Sehenswürdigkeit treffen und dort dann ein paar Fotos nach der einfachen Regel "Modell im Vordergrund - Sehenswürdigkeit im Hintergrund" machen. Es lässt sich dann nur noch trefflich darüber streiten, ob Modell UND Sehenswürdigkeit scharf sein sollen, oder ob das Modell "freigestellt" sein soll, d.h. Hintergrund nur bedingt erkennbar, was sicher gut für die Betonung des Modells ist - aber andererseits die Wahl der Location ins Absurdum führt. Wenn wir Fotografen mal ehrlich zu uns selbst sind, dann sollten wir der Tatsache ins Auge sehen, dass fast jeder Tourist vergleichbare Fotos hinbekommt.

Die Entwicklung der (Handy-)Kameras ist nun so weit, dass bei 3. und vermutlich auch bald bei 2. ein Fotograf überflüssig ist. Das Modell kann ohne Fotograf - von diesem ungehindert - der eigenen Kreativität freien Lauf lassen. Die Beschränkung durch den Selfie-Stick wird vermutlich nicht als solche empfunden, weil es ja alle so machen und weil es ein Trend ist - der Trend, der weg von 1. über 2. hin zu 3. geht. Die Ursachen dieses Trends kenne ich aber nicht. Es mag ein künstlerisch bedingter Trend sein. Ich glaube es aber nicht. Ich glaube folgendes:
1. Es gibt viele "Fotografen", die nicht in der Lage sind, Studioaufnahmen zu machen. Ob sie es einfach nicht können oder ihnen dies zu aufwändig ist (mangelnde Motivation?), lasse ich mal dahingestellt. Natürlich "überreden" diese "Fotografen" die Modelle zu anderen Aufnahmen.
2. Auch für Modelle ist ein Shooting an einer "Location um die Ecke" meist organisatorisch einfacher als die Fahrt in ein Studio.
3. Nach den ganzen Nachrichten und Debatten über sexuelle Übergriffe verwundert es mich nicht, dass Modelle ein Shooting in der Öffentlichkeit dem Studio vorziehen.
4. Möglicherweise haben Modelle auch zu viel Respekt vor Fotostudios. Überhaupt fällt mir auf, dass neue Modelle gern mit neuen Fotografen shooten.
#42
5 years ago
@ eckisfotos
Zu 1/2 - indoor mit Blitz oder available light
Entfesseltes Blitzen mit 2 oder 3 Systemblitzen ist auch eine Möglichkeit, die eben ohne viel Schlepperei fast überall indoor machbar ist ... aufhellendes Blitzen unter Nutzung des Tageslichteinfalls ist dann der Hit ;-)
5 years ago
@Heinz Drstak: ganz genau
@SEE: Ja, aber selbst das ist oft schon zu perfekt bzw. wird als zu aufwändig empfunden. Auch Systemblitze sind nicht ganz billig. Die Masse kauft lieber die Kamera etwas teurer und dafür weniger Zubehör.
#45
[gone] User_184280
5 years ago
"Heinz" schrieb: Es hat sich eine Art "Social Media Style" entwickelt. Perfekt unperfekt. Spontan und authentisch wirkend. Natürlich und frech.

Genau das meinte ich mit dem Hinweis auf den Insta-Account von Kim Kardashian. Da ist dieses Prinzip exemplarisch umgesetzt, wie aus einem Guss. Diese Bilder werden millionenfach gesehen, genau von unserer Zielgruppe. Und sie sind wirklich ein Genuss, das muss ich zugeben, ich schaue mir das gerne an.

Knackpunkt dabei ist natürlich, dass Kim Kardashian und Sara Sampaio nicht nur Personen des öffentlichen Interesses sind, sondern auch Supermodels mit entsprechendem Aussehen. Im Hintergrund ist ein Team von MUAs und Digital Artists der Spitzenklasse aktiv.

Wenn ich jemanden fotografiere, ordne ich zwar nicht das Aussehen in das klassische 1-10 Schema ein, aber für Euch mache ich das mal, ich würde sagen, bei mir kommt niemand unter 8 vor die Kamera, wenn der Fokus auf Beauty/Akt liegt. Bei anderen Themen bin ich nicht so anspruchsvoll.

@Ecki
Sehr schöne Aufstellung von Dir, stimmt alles auf den Punkt. Model im Rapsfeld schreit natürlich Hobby. Aber es kann eben auch der Einstieg in eine tiefergehende fotografische Zusammenarbeit sein. Statt immer neue Gesichter zu suchen, kann man bei passender Chemie sich anspruchsvollere Themen suchen.

Zum Thema Handykameras. Wer ein bisschen was von Licht versteht, kann ganz brauchbare Selfies zustandebekommen, in schwierigen Lichtsituationen, hohe Kontraste, Restlicht, kommt nur Pixelmatsch dabei raus. Stört aber die wenigsten. Filter drüber und es ist Kunst ;)
#47
@ Heinz Drstak

So richtig bewusst wurde mir das, als ein seit Jahren erfolgreiches Profimodel zu mir kam und mir erklärte, sie brauche jetzt für ihre Agenturen genau diesen Bilderstil, obwohl, oder gerade weil sie ansonsten eine Unzahl dieser klassisch perfekten Fotos hätte.


Zeig mal, bitte.
#49
@ Heinz Drstak

Prima!

Hatte sich halt so gelesen, als ob das Projekt schon durch wäre. Deswegen fragte ich.
#51
5 years ago
Was Modelle wollen, schön und gut, aber irgendwann will ich ja auch eine bestimmte Art von Bildern.

Ich mag ja viele verschiedene Sachen, und bin recht schmerzbefreit. Aber ein Anfängermodel fotografieren, das durch Selfies alleine Insta-Fame hat und dann von mir Duckface-Selfie-Optik in ihrem Kinderzimmer mit Instagram-Filter erwartet -- nee, da ist irgendwann auch meine Schmerzgrenze errreicht.

Wobei ich ja auf gut gemachte Trash-Fotos schon wieder Lust hätte (Problem dabei: die Grenze zwischen gutem Trash und einfach nur schlechtem Müll ist sehr fein).
@ J Reber

Ja, Trash kann in der Tat auch sehr nice sein.

Aber wie du schon sagst: Es gibt zu viel schlechten Müll, der als vermeintlich guter Trash abgefeiert wird. Zerrissene Strumpfhosen, ein Mittelfinger und 'ne Pulle Jack Daniels machen halt noch lange keinen guten Trash, ebenso wie billige Riesen-Creolen von Bijou Brigitte kein gutes Fashion-Foto ergeben. :-)
[gone] User_184280
5 years ago
Trash mit Anfängerinnen ... kann funktionieren.
Aber warum nicht ein bisschen Nachwuchsarbeit machen und junge Talente aufbauen?
Die Mischung macht es bei mir, mal Pay, mal Kundenshoot, mal TfP mit meinem oder einem Fremdthema.
5 years ago
Ein Selfie zerstört nicht die private Intimsphäre.
Ein Treffen mit einem unbekannten Fotografen
hingegen lässt eine solche entweder kaum oder
nur nach langer Zeit und gewonnenem Vertrauen
entstehen - und dafür hat eben niemand Zeit.

Aber eben genau solche Bilder - echt, verrückt,
völlig gelöst und privat sind gefragt.
[gone] Charisma1962
5 years ago
Zeit hat man auch nicht, die muss man sich nehmen :)

Ja, die Jungen machen heute schnell-schnell. Auch sie werden merken, dass das Kraft kostet und langsamer werden. Und dann nimmt man sich die Zeit, trifft sich mit Fotografen, stimmt die Vorstellungen miteinander ab und checkt auch die Chemie. Und dann kommen auch beim Shooting lockere Bilder raus, weil man sich auf der menschlichen Ebene begegnet. Nicht nur Dienstleister-Kunde. Wobei beide Ebenen durchaus ihre Berechtigung haben.
[gone] Matthias Brassmann
5 years ago
Als Otto Hobbyknips in Reinkultur muss ich mal sagen, das sich garnicht die Konkurrenz der Selfies / Handyfotos fürchte. Früher heiss es immer, nicht die Kamera macht das Fotos, sondern der Fotograf. Jetzt macht plötzlich die gute Fotomöglichkeiten eines modernen Smartphones das gute Bild aus? Ein Selfie?
Ich halte es schlichtweg für die erste Pflicht des (Hobby-) Fotografen, sich davon abzusetzen. Ich sehe hier sogar bei den Herren Profis zu oft langweilige Fotos von atemberaubenden Models. Dann denke ich, hoppla, der hat ein atemberaubendes Model vor weisse Leinwand gestellt und annähern frontal geblitzt.. ob das nun die grosse Fotokunst ist, keine Ahnung.

Mir rennen die Models nicht die Bude ein, aber es fällt auch kein Shooting aus, weil ich kein Model finde. Und wenn ich ein spezielel Idee umsetzen möchte, hat das Model danach einen Wunsch frei. Hat bislang gut geklappt.
[gone] User_184280
5 years ago
"Hobbyknips" schrieb: Dann denke ich, hoppla, der hat ein atemberaubendes Model vor weisse Leinwand gestellt und annähern frontal geblitzt.. ob das nun die grosse Fotokunst ist, keine Ahnung.

Ah, ich weiß, wen Du meinst, Terry Richardson ;)
[gone] Matthias Brassmann
5 years ago
Der steht wenigstens zu, dass er die Models bumst.
5 years ago
Auf der Fashionweek oder beim Filmfest posieren auch atemberaubende Frauen vor silbergrauen oder schwarzen Wänden, deren Monotonie allenfalls durch die Sponsorenlogos angereichert wird, und nur weil das Rampenlicht nicht ganz so frontal positioniert ist, vermitteln die so erzielten Bilder jedenfalls soviel Fotokunst, daß diese mehr bewirken als 1000 Sedcards zusammen ...

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