Ellen von Unwerth - Charme der Sinnlichkeit 31

4 years ago
@pepper:
Hat von Unwerth einen Female Gaze? Ja, das denke ich schon, und erneut möchte ich mich auf die von ihr erzählten S/M-Geschichten fokussieren. Ein Mann - zumindest außerhalb der Werbewelt - hätte diese wohl eher nicht so lieblich und seicht dargestellt, da ginge es mehr zur Sache.


Meinen - reichhaltigen - Erfahrungen nach gehen Frauen in Sachen S/M viel mehr zur Sache als Männer...

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Davon mal abgesehen: auf mich wirken die Bilder von Ellen von Unwerth fast durchweg inszenierter als die von Helmut Newton. Das ist erstaunlich, wenn man sich anschaut, wie sehr Newton die meisten seiner Fotos inszeniert.
Ist jetzt natürlich ganz subjektiv, aber sehr viele Fotos von Newton wirken auf mich so, als hätte er während des Shootings, oder Sekunden bevor es eigentlich erst anfängt oder in dem Moment, als es gerade vorbei ist, kurz nach mal die Kamera hochgerissen und auf den Auslöser gedrückt.
Vieles - nicht alles! - wirkt so beiläufig. Zufällig. Das genaue Gegenteil ist richtig, ich bin fest überzeugt, daß bei Newton keine Plastiktüte, keine Filmdose, kein Papierschnipsel, absolut nichts auf dem Bild ist, das da nicht bewusst plaziert oder mit eingebaut wurde.

Aber es sieht nicht so aus - und das ist eine große Kunst.

Außerdem, auch ein subjektiver Eindruck, wird bei Newton nicht so viel gelächelt. Bei Ellen von Unwerth höre ich oft unwillkürlich das "Cheese!". Vor allem auch da, wo es nicht passt.

Nichtsdestotrotz macht sie hervorragende Fotos. Das erkenne ich neidvoll an.
[gone] User_184280
4 years ago
Tom, ich habe dir den Begriff "authentisch" erklärt, du reißt hier den einen Satz aus dem Zusammenhang.

Es ist doch völlig klar, dass wenn ich einen überirdisch schönen Menschen, den ich mit 100 Euro/Stunde vor die Kamera locke und ein paar Anweisungen gebe, was er spielen soll ... dass das Ganze nicht authentisch ist.

Nehme ich eine Person, die sich ausdrücken möchte, die mich als ihren fotografischen Spiegel erwählt, dann ist das natürlich auch bis zu einem gewissen Grad inszeniert, soll aber das ausdrücken, was die Person möchte. Im Vorgespräch bespricht man das Ziel des Shoots, was die Bilder zeigen sollen. Wenn das so gelingt, nenne ich es "authentisch".

Für philosophische Diskurse wie du hier anregen möchtest, ist mir die Fotografie allgemein zu oberflächlich.
4 years ago
Aber haben die Arbeiten von von Unwerth auch einen Wiedererkennengswert?

*grübel*

Deutlich weniger als Newton. Newton erkennt man, finde ich, sehr gut.* Ich hab mich durch Fotos von Ellen von Unwerth geklickt, und bei vielen hätte es genauso ein anderer aus der Riege der FineArt-Kalender/Bildbände/Postkarten sein können.
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*) Wobei ich an dieser Stelle gestehen muss, daß es ein Foto gibt, von dem ich jahrelang Eide geschworen hätte, daß es von Helmut Newton sei. Mein Gedächtnis hatte es mit Newton fest zusammengeschweißt. "Hab ich in irgendeinem Newton-Bildband gesehen!" oder so.
Bis ich eines Tages die Ehre hatte, bei einem Shooting, das ich einem amerikanischen Model vermittelt hatte, Ben Marcato kennenzulernen. Der hatte seine Mappe mit. Klar, wir guckten uns die Bilder an. Marcato ist klasse.
Und dann blätterte ich ein Foto auf. Dieses Foto. Von dem ich Eide geschworen hätte: "Das ist ein sooo typischer Newton, das kann nur Newton sein, weil das kann nur Newton!"
So kann man sich täuschen.
4 years ago
@pam.meier:
Tom, ich habe dir den Begriff "authentisch" erklärt, du reißt hier den einen Satz aus dem Zusammenhang.

Wo hast Du mir bitte den Begriff "authentisch" erklärt?
Und wo hast Du ihn überhaupt erklärt? Du verwendest hier einen nicht nur "plakativen", sondern ausgesprochen klischeehaft genutzten Begriff, und erklärst ihn nicht weiter.
(Ich hab ja nichts dagegen, wenn man in einer Diskussion mal ein "Label" einführt, mit einer gründlichen Erklärung, um dann im weiteren Verlauf nicht jedesmal 100 Zeilen schreiben zu müssen, aber dann muss man das Label wenigstens einmal definieren. "Authentisch im Sinne von ... ... ... ... ...")
4 years ago
Es ist doch völlig klar, dass wenn ich einen überirdisch schönen Menschen, den ich mit 100 Euro/Stunde vor die Kamera locke und ein paar Anweisungen gebe, was er spielen soll ... dass das Ganze nicht authentisch ist.

Unabhängig davon, daß bisher noch jede speziellere Definition von "authentisch" fehlt, ist es überhaupt nicht klar, wieso das Ganze "nicht authentisch" sein sollen müsste...

Wieso ist ein "überirdisch schöner Mensch" denn nicht "authentisch"? Der ist doch nicht "künstlich", nur weil er "überirdisch schön" ist.

Und wieso machen ihn ein paar Anweisungen "un-authentisch"? Ich finde, um nur ein Beispiel zu machen, Götz George hochgradig authentisch, wenn er Fritz Harmann spielt. Der spielt ihn nämlich nicht, der ist in Moment Harmann. Das ist nicht zwangsläufig immer der Fall, aber Regieanweisungen und spielerischer Auftritt machen einen Menschen oder sein Erscheinungsbild nicht automatisch "un-authentisch", ganz im Gegenteil.

Und wäre es nicht gerade "authentisch", wenn man als Fotograf es schafft, etwas "herauszuarbeiten" aus dem Menschen, der vor der Kamera steht? Es ist bekanntlich eine der größten Herausforderungen für ein Model, wenn man sagt "Steh einfach mal ganz normal ohne Posing da und guck in die Kamera!"

Das kann - einfach ist's nicht unbedingt - zu tollen Fotos führen. Aber nicht automatisch zu "authentischen". Und andererseits kann etwas rundum gestelltes und inszeniertes im Ergebnis sehr "authentisch" sein.
4 years ago
Wikipedia: "... Als authentisch gilt ein solcher Inhalt, wenn beide Aspekte der Wahrnehmung, unmittelbarer Schein und eigentliches Sein, in Übereinstimmung befunden werden. ..."
"befunden werden" - heißt wohl maximale Glaubwürdigkeit. Gesucht und erzielt.

Ich halte es für überflüssig, daraus eine spekulative philosophische Diskussion zu machen, dass z.b. jeder jeder anders befinden kann oder Fotografie Inhalt subjektiv aufbereitet. Denn es ist klar, dass es nicht ums Machen geht oder um störanfällige Selbst- Fremd-Vorinterpretation sondern ums Wahrnehmen.

pam.meiers Formulierung lege ich auch dahin gehend aus, dass eine Frau, die früher vor der Kamera agierte, dann hinter der Kamera einen viel einfühlenderen Zugang zu den Frauen vor der Kamera hat und damit deren "Sein" besser vorführen kann. Und das gilt auch für Inszeniertes.

Dein geliebter Götz George, Tom, ist in seinen verschiedenen Rollen, auch unabhängig vom Aussehen, noch als der zu erkennen. Dieser Anteil ist vermutlich Authentisches von George. Darum heißt es auch "Götz George als ..."
[gone] User_184280
4 years ago
Ich fand ja Götz George auch klasse und authentisch wirkend. Hier schließe ich mich gerne Marcello an, indem ich es ablehne über die Shades of Authentizität von Fotografie zu diskutieren.

Übrigens interviewe ich derzeit Künstler, was sie in der Coronazeit erleben und wie sie überleben. Das Ganze ist auch nicht authentisch, es sind gestellte Bilder, die etwas dokumentieren sollen und das Ganze durch mich interpretiert und kanalisiert.

Und doch sind diese Berichte für mich das, was ich an "Authentizität" erreichen kann und möchte.

Dass ich als Fotografin mit Freude Zeugs inszeniere und überirdisch schöne Models vor die Kamera locke, um Bilder à la von Unwerth zu machen ... das steht auf einem anderen Blatt.
4 years ago
Es gibt viele Leute, die ich mir etwas autistischer wünsche.
4 years ago
Jeder hat da ein andere Sichtweise. Das wurde auch schon in anderen Fotografen Threads festgestellt und ist nicht wirklich auflösbar.
Bei Von Unwerth gefällt mir der Humor, welcher sich offenkundig oft herauslesen lässt und auch die Erotik die manche Bilder ausstrahlen. Der halbnackte Mann am Tor mit den drei Mädels... Das ist doch herrlich oder die Frau mit der Perlenkette im Mund - Erotik vom Feinsten. Da kann sich jeder was dazu zurecht spinnen. Das sind zwei Beispiele aus Marcellos letztem Link. Mir gefällt beileibe nicht alles, aber das muss man ja genau so erstmal hinkriegen, gestellt, inszeniert, ist mir da egal.
4 years ago
@Marcello Rubini:
Wikipedia: "... Als authentisch gilt ein solcher Inhalt, wenn beide Aspekte der Wahrnehmung, unmittelbarer Schein und eigentliches Sein, in Übereinstimmung befunden werden. ..."
"befunden werden" - heißt wohl maximale Glaubwürdigkeit. Gesucht und erzielt.

Eben. Und da kann das gekonnt gestaltete Foto des "überirdisch schönen Fotos" absolut "authentisch" sein.

Ich muss da immer an den faszinierenden Gegensatz zwischen Wegee und Brassai denken. Brassai hat Pariser "Penner" in einer Weise fotografiert, die sie würdevoll und teilweise fast aristokratisch wirken lässt. Oder auch die "Kloakenreiniger" von Paris. Wegee hat New Yorker "Penner" fotografiert, und sie sehen aus wie stinkende Penner.

Wer zeigt die "Wahrheit"? Wessen Bilder sind "authentisch"? Die Antwort ist sehr einfach: beide. Beide zeigen jeweils eine Wahrheit, die zum Ganzen gehört. Und die Bilder von beiden sind äußerst authentisch.
4 years ago
Es gibt viele Leute, die ich mir etwas autistischer wünsche.

Ich wünsche mir niemanden schwer behindert...

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