Als Fotograf Makeup machen – was brauche ich? 26

7 years ago
@ Heiner .... Zahnstocher und / oder Zahnseide nicht vergessen :-)
7 years ago
Statt Puder würde ich Blotting Paper bevorzugen... ist hygienischer, weil kein Pinsel/Quaste zu reinigen ist und da nicht jeder drin rumtatscht :-)
Wen Puder, dann gut reinigen nach jedem Gebrauch...

Makeup würde ich gar nicht machen/anbieten. Entweder richtig oder gar nicht!
Ein durchschnittliches  Model schafft es auch sich selbst Basic zu schminken und das mit mehr Übung als du es hättest ;-)

 
[gone] User_224666
7 years ago
Sich selbst vorteilhaft schminken - nicht nur irgendwie Farbe auftragen, Wimpern verkleistern und irgendwelche Linien um die Augen malen, weil man das irgendwann mal in einer Typberatung so gelernt hat  - können grob 30% der Modelle. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie auch ein fototaugliches Makeup - das sich für wiederum für outdoor oder für Studio und je nach Lichtsituation unterscheidet - hinbekommen. Auch  Visas haben hier mitunter gravierende Lücken, was besonders auf Bildern mit Gesichtsfrontbemalung und vergessenen Seiten- Halsflächen und unpassenden Handfarben zu bewundern ist.

Daher ist dein Ansatz zu fragen: " Was brauche ich?" nur zu begrüßen. Lass dich nicht von angeblich horrenden Kosten oder jahrelanger Ausbildungserfahrung abschrecken. Erfahrungsgemäß sind gerade die sündhaft teuren Produkte - wegen fehlender Deckung oder optischen Aufhellern, die  unkalkulierbar auf Blitzlicht reagieren - absolut fotountauglich. Alles was du für den Einstieg brauchst bekommst du bei Rossmann und Co für max. 4,- pro Einheit.

Entscheidend ist, dass du mit dem Model vereinbarst, absolut ungeschminkt zu erscheinen. Überschminken birgt unkalkulierbare Risiken beim Ergebnis durch Unverträglichkeiten der Produkte oder durchscheinen alter Reste. Abschminken und dann neu Aufsetzen irritiert die Haut und erschwert das Makeup drastisch.

Für den Anfang einige wenige unvollständige Basics:

Als Basis für das Makeup kannst du bei 90% der Modelle "RL de young natural 02" von Rossmann einsetzen (haben die leider nur in den Filialen, wird nicht über den Webshop angeboten). Am Ende des Winters und bei hellen Gothic-typen ist "RL de young natural 01" die Alternative. Asiatische Typen kommen oft besser mit dem "rose beige 02" klar. Die Sand oder Caramel-Töne werden für europäische Modelle seltener gebraucht, ist aber gut immer eine Tube bereitliegen zu haben. Eng wird es bei dunklen Afrikanern, Süd- und Nordamerikanern. Dafür sind die Paletten in den Drogeriemärkten hierzulande nicht wirklich ausgelegt. Vor dem Auftragen immer einen kleinen Test machen. Der Farbton, der sich am wenigsten von dem Hautton unterscheidet ist der Beste. Auftragen mit Fingern macht Streifen, auftragen mit Makeup-Schwämmchen ist am besten, macht aber bei Wiederverwendung Hygiene Probleme. Wattepads mit fester Rückseite tun hier genauso gute Dienste. Ob du hier sauber gearbeitet hast, kannst du sehr einfach an einem Probefoto testen. Am besten geht das mit einem Programm wie Lightroom, bei dem sich der Orange-Kanal separat vom Rot- und vom Gelbkanal regeln lässt. Wenn du im Orange-Kanal die Sättigung auf Null reduzierst, sollten alle Hautbereiche komplett grau erscheinen. Sofern dort rote Bereiche verbleiben (vor allem auf der Stirn oberhalb der Nasenwurzel, auf den Wangen, seitlich in den Nasenlöchern, im Bereich der Ohren) ist Nacharbeit angesagt. Erst wenn dieser Test perfekt ist, kann an das Feinmakeup gegangen werden.

Puder gibt es in passenden Tönen von "RL de young" oder auch von "Essence". Hier ist es gut von jedem Farbton eine hellere und eine dunklere Nuance zu haben. Frontgesicht dann mit der helleren, Seitenflächen und Hals mit der etwas dunkleren gibt mehr Plastizität.

Bei flüssigem Makeup, wie auch bei Puder kannst du davon ausgehen, das du bei Gesichtshaut mit einer minimalen und gleichmässigen Behaarung am einfachsten an das Ziel kommst. Bei längeren Haaren im hinteren Wangenbereich zum Haaransatz hin oder in den Mundwinkeln oder unter der Unterlippe musst du bei flüssigem Makeup etwas vorsichtiger im Auftrag sein. Vor allem Haare um den Mund- Kinnbereich kommen bei Closeups im Gegenlicht sehr unvorteilhaft. Rasieren ist direkt vor dem Shooting allerdings immer sehr riskant - wenn, dann nie mit einer Einwegklinge, sondern immer mit einem Ladyshave Rasierkopf, der hinreichend Verletzungsschutz bietet. Hab mal eine Iranerin erlebt, die die Härchen mit etwas um die Finger gewickelten Faden beseitigen konnte, aber auch das ist führt zu einer gewissen Hautirritation. Haut, die gar keinen Haarbewuchs aufweist ist am heikelsten, hier ist es wichtig zu schauen, wie sich das flüssige Makup überhaupt auf der Haut anlagert. Mitunter funktioniert es gar nicht und du musst ausschließlich auf Puder ausweichen, das sich dann mit einem Wattebausch deutlich intensiver als mit einem Pinsel aufbringen lässt. 

Rouge ist Geschmackssache. Hier auf guten Fotos erst mal anaylsieren, wo so eine Betonung überall vorkommen kann, wie hoch, wie groß, wie weit vorn/hinten - und das an welchem Gesichtstyp (eckig, oval, lang...). Am Anfang hilft es mit dunkleren Pudern der Grundfarbe zu experimentieren. Damit lassen sich Probleme, die auf den ersten Aufnahmen sichtbar werden, recht einfach durch Überpudern mit den Grundfarben auch wieder korrigieren ohne das Makeup komplett neu aufsetzen zu müssen. Dese Bereiche lassen sich bei Bedarf im Computer leicht nachträglich einfärben, während das Entfärben von falschem oder zu starken farbigem Rouge wesentlich heikler ist.

Augen sind der erste Blickfänger und am Anfang sicher der schwierigste Part. Auch hier ist es hilfreich mit guten Vorlagen zu arbeiten und sie genau zu analysieren. Wie sieht der Bereich unter dem Auge aus: ein- oder zweifarbige Schattierung? Wie weit gehen die Bereiche an der Nasenwurzel, an der äußeren Lidfalte. Wie verhalten sich die Farbbereiche zur Pupille. Enden sie innen am Pupillenrand, mittig, oder außen? Die gleichen Fragen stellen sich oberhalb des Auges. Je mehr Platz zwischen Wimpern und Augenbrauen beim Model vorhanden ist, desto mehr Spielraum (Achtung:  Zu starkes  Auffüllen des Bereiches zwischen Wimpern und Augenbrauen bringt schnell den Clownseffekt). Oft kommen hier drei und mehr Farbschattierungen zum Einsatz. Wie ist hier der Bereich in der Hähe der Nasenwurzel umgesetzt. Wie der Bereich unmittelbar über der Pupille bis zum Außenrand. Wie sieht es mit einem Highlighter unter dem Augenbrauenbogen aus? Wie weich oder hart sind die verschiedenen Bereiche voneinander abgesetzt? Wenn du  vorher mit einem flüssigen Makeup wie dem oben beschriebenen gearbeitet hast, besteht die Gefahr, dass Partikel des oft dunkleren Augenmakeups herunterfallen und sich auf den Wangen ablagern, von wo sie dann nicht mehr rückstandslos entfernt werden können. Ich habe Stühle oder Bänke, auf denen das Model während des Augenmakeups den Kopf wie beim Haarewaschen zurücklegen kann, so kann nichts ins Gesicht fallen und sich dort festsetzen.

Augenbrauen sind fast noch wichtiger als das Augenmakeup selbst. Ihre Spiegelbildlichkeit und ihr makelloser Verlauf sind die allerersten Schönheitskritierien die wir auch auf Distanz (Ganzkörperfotos) wahrnehmen. Am einfachsten die dickste, längste Braue als Vorlage wählen und die schmalere, kürzere zunächst mit einem helleren Brauenstift nachzeichnen. Bei Bedarf dann mit einem dunkleren nacharbeiten. Von Zupfen und Schneiden würde ich - zumindest am Anfang - noch dringend abraten ;-)

Wimpern sind bei vielen Modelen mein k.o. Kriterium. Ich hasse verklebte, verklumpte Wimpern. Bereits zwei zusammenhängende Häärchen versauen jedes Closeup - auch wenn einige Modeplakate gerade das Gegenteil behaupten. Feine, nur leicht unterstützende künstliche Wimpern sind eine einfach zu handhabende Alternative. Gibt es in 100er Paketen in der Bucht für 7,- Kleber ist dann da nicht dabei, aber es ist ohnehin besser sich auf einen Kleber einzuschießen. Der blaue "Uno" ist ein guter Anfänger-Kleber, da er nach dem Aufsetzen der Wimpern noch Korrekturmöglichkeiten bietet. Nachteil: Die Ecken brauchen länger bis sie final fixiert sind und wenn das Model empfindliche Augen hat und zum tränen neigt, haftet er überhaupt nicht mehr. Ich benutze inzwischen Mastix aus dem Theaterbereich - am Anfang ist aber Uno besser.

Lippenstifte in einer gewissen Farbauswahl sind immer eine Hilfe. Sie werden nie direkt, immer mit einem Pinsel aufgetragen, wobei eine leichte Changierung aus zwei Tönen (i.d.R. dunkel außen, hell innen) die schöner geformten Lippen ergeben. Lippenkonturstifte helfen bei Modellen deren Lippen ohne klare Definition in den Hautton übergehen und auch bei stark fetthaltigen Lippenstiften (oft bei schwarzen) die sonst von den Lippen in den angrenzenden Hautbereich kriechen. Lippgloss - gerne farblos hilft den Lippen einen verführerischen Glanz zu geben. Kann gut mit Wattestäbchen aufgetupft werden - nur nie vollflächig. Das sieht meist aus wie Babysabber ;-) Wenig auf den inneren Bereich der Unterlippe aufgetupft verteilt sich automatisch und kann bei bedarf immer neu aufgebracht werden um das Ergebnis zu verstärken.

Auch wenn die Konzentration auf das Gesichtsmakeup am Anfang sicher eine gute Wahl ist, einige Körperbereiche sollte man bei sommerlicher oder sonstiger leichter Bekleidung immer im Auge haben. Das sind vor allem die Rückseiten der Oberarme, auf denen sich gerne blaue oder rote Aderstrukturen unter der Haut abzeichnen so wie Knie- und Gelenkbereiche an den Händen. Mit Puder alleine ist ihnen kaum beizukommen. Die oben beschriebenen flüssigen Makeups sind zu dickflüssig um hier nahtlose Farbabdeckungsflächen zu plazieren. Es hilft diese leicht mit Babyöl zu verdünnen und die Mischung dann sehr, sehr dünn aufzutragen (Achtung: Gefahr die Kleidung zu beschmutzen). Da sollte möglichst früh geschehen, damit sich der zwangsweise auftretende Glanz verflüchtigen kann.

Steht das Makeup, sind die ersten Testfotos zufriedenstellend kann abschließend noch mit farblosem Mattierungspuder übergepudert werden. Das ganze Makeup bekommt dadurch ein etwas weicheres, natürlicheres Finish und hält länger. Nach dem Überpüdern sind die Chancen auf partielle Korrekturen allerdings vertan.

Was du auf jeden Fall einplanen solltest ist Zeit. 45 Minuten für das Makeup ist ein absolut realistischer Wert. Alles was mehr als eine Stunde dauert (außer es sollen auch noch die Haare gemacht werden) ist in der Regel deutlich zu viel.

Was die Berührungsängste angeht - so wie der beste Fotograf nicht gegen die Minderwertigkeitskomplexe eines Models anfotografieren kann, kann die beste Visa die vermeindlichen im Kopf festsitzenden Mängel nicht wegschminken. Hier bekommt man irgendwann ein Gespür, wann jede Mühe vergeblich ist. Insgesamt ist meine Erfahrung, dass Männer zu schminken ein wesentlich heikler Akt ist als bei Frauen. Für Männer ist das oft eine sehr ungewohnte Situation und mit ihrer unreflektierten Eitelkeit stellen sie sich hier oft selbst ein Bein. Modelle, die nur und ausschließlich sündhaft teure Produkte an sich heranlassen wollen - zu Bedenken: wir arbeiten hier ausschließlich mit dermatologisch geprüften, im deutschen Handel erhältlichen Produkten - werden sich auch in allen anderen Belangen des Shootings hinter Vorbehalten zurückziehen. Hier arbeite ich aus Erfahrung - wenn überhaupt - nur noch mit ihnen zusammen, wenn sie eine von mir erprobte Visa auf ihre Kosten bestellen.

Ein Thema in diesem Dunstkreis ist aber auch schon in anderen Antworten angeklungen: Jungs, die sich über das "Angrabschen" und "Busenschminken" ergeifern, sollten tunlichst die Finger vom Makeup an Modellen lassen. Genauso professionell wie der Fotograf mit dem Model umgeht, geht er als Visa auch beim Makeup mit dem Model um. Die unpraktischen Gummiehandschuhe sind dabei mitunter eine gute Hilfe, um hier die direkte Berührung zu vermeiden und eine gewisse Distanz zu wahren.
 
Und wie auch beim Fotografieren nicht das erste Foto gleich das Meisterwerk wird, so ist es auch beim Makeup. Hier spricht auch nichts für eine Zusammenarbeit mit dem Model. Basismakeup lasse ich das Model nach den beschriebenen Vorgaben gerne selbst machen und beziehe es dann in der Qualitätskontrolle der ersten Fotos mit ein,  denn dann hat es die Erfahrung dies zum nächsten Shooting, wenn vielleicht 10 Modelle gar nicht die Zeit lassen für eine individuelle Betreuung, genauso wieder umzusetzen. Wenn das Model über deinen aktuellen Stand der Fähigkeiten informiert ist, besteht durchaus die Bereitschaft für erste Experimente und du vermeidest kopfschüttelndes Unverständnis - welches ich genauso aber auch schon erlebt habe, wenn Visas beim ersten Probeshooting die Model völlig untauglich geschminkt hatten ;-)

Viel Erfolg bei den ersten Schritten!
Wäscheklammern, andere Klammern, Haarbürste, Afro-Kamm, Haarklemmen, Haarbänder usw. finden sich auch in meinem Zubehör-Koffer.
7 years ago
Vielen Dank an Charly3 und die anderen guten Kommentare.

Ich hatte bei einer verdammt guten Visa (Mandy Klimt) einen Workshop. Es stellte sich heraus, dass sie sogar auf Kurse für Fotografen vorbereitet war. Nach intensiven drei Stunden hatte sich mein Gespür für die Haut und die Produkte um einiges verbessert.

Jetzt muss ich üben. Die Lippen bekomme ich mitterweile ganz OK hin. Die Haut zu korrigieren klappt gut. Die Verteilung von Contouring/Bronzer/Rouge funktioniert schon irgendwie brauchbar. Bei den Lidschatten stelle ich mich verdammt blöd an. Da ist ästhetisches Feingefühl gefragt, das heißt, ich muss vor allem die Fehler sehen lernen. Wimpern und Mascara bin ich noch nicht richtig angegangen.

Insgesamt bin ich erstaunt, wie viel ich hinbekomme, da ich gleich ins volle Programm geworfen wurde. Allerdings muss ich noch eine Menge lernen, bis ich Portraits mit Visa auf TfP ausschreibe. Aber da habe ich jetzt schon Bock drauf.

Ob ich jemals einen Kunden schminke, bevor ich ihn mit seinem Produkt oder für seine Webseite fotografiere, kann ich noch gar nicht sagen. Das muss aber auch nicht sein. Die Visa vom Workshop meinte, alleine mit Puder und Rouge ist schon eine Menge gewonnen. Bei Frauen auch noch Mascara.

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