Vom Bösen und der Weltherrschaft 67

[gone] User_382800
5 years ago
Und hier mal ein Thema, dass primär nichts mit Fotografie zu tun hat!
Und zwar stelle ich mir schon seit Jahren eine Frage, welche in den letzten Tagen allerdings umso mehr an mir nagt:

Was ist eine sinnvolle und nachvollziehbare Motivation eines Bösewichts?
Was würde man tun, wenn man große Macht hätte und alle Fähigkeiten, die man sich vorstellen kann, diese allerdings nicht für gute Zwecke einsetzt sondern eben für "böses"?

Das erste was mir zu dem Thema einfällt ist "Weltherrschaft" (ich bin vorgeschädigt durch vorpubertäre Kinder welche kreischend im Kreis rumrennen und immer Weltherrschaft brüllen, als ob es das coolste der Welt wäre). Allerdings Ist Weltherrschaft (vom fehlenden Sinn mal abgesehen) kein Beweggrund.
Angenommen es gibt jemanden der alles kann und alles erreichen kann und erklimmt den Thron der Welten, was dann? Wie geht es weiter? Macht es überhaupt einen Sinn sich offen vor der gesamten Menschheit sich als Weltherrscher aufzuschwingen wenn man dann mit Gewissheit sagen kann, dass irgendwann so oder so jemand kommt der einem überlegen ist und einem den Garaus macht, weil man sich so offensichtlich zur Zielscheibe macht?

Tatsächlich kenne ich keine Nachvollziehbare, wirklich BÖSE Motivation die einen antreiben würde. Insgesamt fallen mir nicht einmal Motivationen ein, die zwar für die Mitmenschen böse ist, für den Bösewicht aber selber als gute Tat mit unangenehmen Konsequenzen gesehen wird.

Es wäre wirklich eine sehr geile Sache wenn ihr mir diesbezüglich auf die Sprünge helfen könntet bevor ich noch ganz verzweifle :)
[gone] Charisma1962
5 years ago
Die Motivation für böses Tun ist Rache für selbst erlittenes Leid. So werden Opfer zu Tätern und irgendwann wieder zu Opfern, wenn der von dir angeführte Überlegene kommt.
5 years ago
gut und böse allgemeingültig zu definieren, ist schonmal eine nicht ganz leichte Sache. Was der eine für gut hält, ist für den anderen was böses. Um das zu beobachten, einfach mal politische Diskussion im TV ankucken.

Für den überzeugten Veganer isst der Konsum eines Schweineschnitzels schon was böses, weil dadurch
tausende Kinder in ärmeren Ländern sterben, etc.

Als generelle Motivation für "böse" Handlungen kann man sicherlich einen gestörten Umgang mit dem eigenen Ego anführen, streng genommen sind "böse" menschen pathologisch.
5 years ago
Manchmal will man halt Kalief werden, anstelle des Kaliefen...
[gone] User_382800
5 years ago
@Foto300
Klar sind "gut" und "böse" Wörter die für jeden eine vollkommen andere Bedeutung für jeden haben, das ist mir schon bewusst. Und genau aus diesem Grunde versuche ich ja, so viele Menschen wie möglich anzusprechen und deren eigene Interpretation zu hören.
Ansonsten würde ich es mir ja einfach machen und vielleicht zwei, drei von meinen Freunden und Verwandten fragen. Oder es würde bereits 100.000 verschiedene Webseiten zu dem Thema geben, vor allem im "Wie schreibe ich einen Roman?"-Bereich.

Um die Frage für mich aber gescheit beantworten zu können benötigt es viele verschiedene Antworten. Wenn man will kann man daraus dann einen Durchschnitt ziehen, welche Eigenschaften die meisten als "böse" erachten und was andere als eher unwichtig sehen.
Es geht mir vor allem auch nicht Primär darum "Was ist böse" sondern um die Motivation einer "bösen" Person.
5 years ago
"böse" ist für mich alles das anderen schadet und mir gleichzeitig gut tut. Also wenn exakt diese Berechnung die Motivation für irgendetwas ist.
#7
5 years ago
Gutes Thema !

Ponerologie (aus dem Griechischen poneros, „Böses“) beschreibt das Studium des Bösen. Weiterlesen hier bei Wikihausen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ponerologie

Einerseits halte ich bzgl aktuellen Fragen nichts von Alexander Benesch, aber er hat ein Buch geschrieben was ggf einige Deutungsversuche ermöglicht:
http://shop.recentr.com/buecher/neue-weltordnung/1930/neuauflage-2017-das-boese-entschluesselt-alexander-benesch
Da kann man auch seine 8-minütige Vorstellung des Buches anhören, welche vielleicht auch schon einiges Weiterhangeln ermöglicht, ohne das Buch zu kaufen.

Das Buch "Das Böse entschlüsselt, Alexander Benesch" .

Abgesehen davon dass ich alle 3 Monate mal n Video von ihm ansehe hab ich nichts mit Benesch zu tun - man möge mir den Shop-Link verzeihen.

Weiterer Verweis,auf ein 60 Jahre altes Buch, gibts auch in Deutsch, aber ziemlich alt:
https://en.wikipedia.org/wiki/Political_ponerology
Was bösartige Motivationen angeht, sind die Herren Westhafen und Foto300 sicherlich sehr viel informierter.
Mich persönlich beschäftigt ja viel mehr die Frage: unter welchen Umständen trifft man eigentlich systematisch auf "Weltherrschaft"-kreischende und im Kreis laufende Kinder? Klingt super.
5 years ago
Er tut ja nichts böses sondern sichert sich nur seine Alpha-Position (die leider andere auch einnehmen wollen).

Zur Sicherung dieser Position ist es notwendig, Mitbewerber um diese Position zu entfernen - dauerhaft. Dies am effektivsten in einer Weise, die andere potentielle Mitbewerber davon Abhalten auch nur daran zu denken die Position einnehmen zu wollen.

Da man zur Sicherung allerdings Mittel und Einfluß benötigt um selber stark genug zu sein die Position, die einem alle wegnehmen wollen, zu halten - sei es durch gekaufte Söldner oder durch das etablieren einer Elite die einerseits nicht mächtig genug wird die Position zu bedrohen aber andererseits genug macht hat um andere daran zu hindern meine Position einnehmen zu wollen und die nicht - Priviligierten in Schach zu halten, muss man die Masse ausquetschen um sich den Sicherheitsapparat finanzieren zu können und ihm Privilegien zustehen zu können.

Wenn dann der Sciherheitsapparat - zur eigenen Etablierung und Absicherung - bzw. die Realität zeigt das sich doch potentielle Konkurrenz aufzubauen droht, dann wird die Vorsicht zur Paranoia - Jeder will einen die Position wegnehmen, niemanden kann man trauen. Also ist man so schlau und überwacht alle, macht ab und zu mal leichte Andeutungen was passiert wenn man die Position nicht anerkennt (Willkürliche Erschiessungen hier und da wegen nichtigkeiten haben schon immer geholfen die Masse in Angst zu halten).

Und das ist ja nicht böse sondern dient nur dazu das man der/die Alpha bleibt, die eigenen Kinder ein gutes Priviligiertes leben haben und nie Hungern werden.

Bei Tieren sieht man das immer gerne in Form von Revierstreitigkeiten (Miezekatze) bzw. Herden/Rudelinternen Rang-Kämpfen (Hunde, Rehe). Der Mensch hat halt weiterreichende Möglichkeiten.

Ab und an hat dann auch noch jemand einen Gott-Komplex und die Macht zu haben anderen Weh tun zu können zeigt einem ja das man der Stärkere ist, wenn man allen ungestraft weh tun kann ist das ein richtiges Glücksgefühl (Nicht mal Gott kann mich hindern).

Blöd nur wenn man selber eines in die Fresse bekommt geht das geschrei nach Mami los (Gut zu sehen bei Nationen die es gewöhnt sind kein Kontra zu bekommen (weil so Mächtig), wenn dann doch tatsächlich mal so ein kleines hinterwäldler Ländchen sicheinfach nicht unterkriegen lässt (Haben die Amis wegen Vietnam nicht immer noch ein Trauma? - Bei den Russen dürfte es Afghanistan gewesen sein).
5 years ago
@Ranaida
Ernstgemeinte Frage:
Siehst Du persönlich Unterschiede in der Motivation gute oder böse Taten zu tun ?
[gone] User_6449
5 years ago
Ist mit dem Thema Adolf Hitler gemeint?

Oder Josef Stalin? Oder Donald Trump?
5 years ago
unter welchen Umständen trifft man eigentlich systematisch auf "Weltherrschaft"-kreischende und im Kreis laufende Kinder?

Z.B. auf dem Kindergeburtstag bei Zuckerbergs, wenn die lieben Kleinen von Larry Page und Jeff Bezos zu Besuch sind.
Ja, oder wenn wir Foren-Trolle Geburtstag feiern :D
5 years ago
Kindergeburtstag bei Zuckerbergs etc - das war gut !

Jetzt habe ich den deutschen Titel des zweiten Buchverweises gefunden!
Ein Buch, das obwohl das Entstehungs-Alter der Erstausgabe hoch ist, ganz gut sein kann:

Politische Ponerologie: Eine Wissenschaft über das Wesen des Bösen und ihre Anwendung für politische Zwecke.
von Andrzej Lobaczewski (Autor), Laura Knight-Jadczyk (Herausgeberin) .
Na, eigentlich heisst der Autor Łobaczewski, nicht Lobaczewski - das Ł mit dem Schrägstrich macht den Unterschied - aber ggf steht er im Buchhandel mit normalem L !
https://www.sott.net/article/159686-In-Memoriam-Andrzej-M-obaczewski

Auch wenn ich Benesch´s aktuellen Videokanal eher schlecht finde, könnte ausserdem auch Benesch´s oben von mir genanntes Buch zum Bösen ganz gut sein. Benesch liesst selber viele Bücher, vielleicht schreibt er bessere Bücher als er Videos macht.
Das Böse ist immer und überall, also hat es doch schon die Weltherrschaft.
5 years ago
Was ist eine sinnvolle und nachvollziehbare Motivation eines Bösewichts?

Motivation wofür? Ein Bösewicht zu sein? Oder die Motivation für "böses Tun", was einen dann zum "Bösewicht" macht?
Was würde man tun, wenn man große Macht hätte und alle Fähigkeiten, die man sich vorstellen kann, diese allerdings nicht für gute Zwecke einsetzt sondern eben für "böses"?

Wer ist "man"?
Möchtest Du wissen "Wenn Ihr große Macht und alle Fähigkeiten hättet, und Ihr wolltet dies nicht für gute, sondern für böse Zwecke einsetzen - welche wären das dann?"
Das erste was mir zu dem Thema einfällt ist "Weltherrschaft" (ich bin vorgeschädigt durch vorpubertäre Kinder welche kreischend im Kreis rumrennen und immer Weltherrschaft brüllen, als ob es das coolste der Welt wäre). Allerdings Ist Weltherrschaft (vom fehlenden Sinn mal abgesehen) kein Beweggrund.

"Weltherrschaft" wäre eher ein Mittel als ein Zweck. Der Grund, die Weltherrschaft haben zu wollen, wäre entsprechend dann der Gedanke: Ich hätte ein nahezu perfektes Mittel, um meine gewünschten Zwecke zu erreichen.
Es gäbe aber auch einen guten Grund, die Weltherrschaft nicht haben zu wollen: es wäre nämlich ziemlich langweilig, vor allem auf Dauer.
Angenommen es gibt jemanden der alles kann und alles erreichen kann und erklimmt den Thron der Welten, was dann? Wie geht es weiter?

Was der jemand dann tun würde, kann Dir nur der jemand beantworten.
Was dann passieren würde, kann ich Dir aber beantworten.

Da der jemand kein wirksames Korrektiv hätte, würde er nicht nur - wie alle jemands - alle Nase lang irgendwelchen kleineren oder größeren Bockmist bauen. Sondern dieser Bockmist, dem kein Korrektiv gegenüberstände, würde eher früher als später fatale Folgen haben. Für die Umgebung des jemands, für die Welt, die Natur, für alles mögliche.
Die frühen Bourbonen-Monarchen sind gute Beispiele dafür. Vor Ludwig XIV, der den "Absolutismus" in Frankreich einführte, war Frankreich auf gutem Weg, durch eine überlegene Staatsorganisation und Wirtschaft, Bildung und Kultur *die* Weltmacht jenes Zeitalters zu werden.
Dann - ich vereinfache und verkürze das jetzt mal extrem! - kam Ludwig XIV. Dessen Absolutismus führte zu einer letzten Scheinblüte, im Nachhinein erkennt man aber schon gut die tödlichen Folgen des Fehlens von Korrektiven der absoluten Macht. Unter Ludwig XVI war die Blüte dann schon zusammengefallen, die Scheiße türmte sich bis zu den Zinnen der Bastille, und der nichtsnutzige Kapetiner landete samt noch nichtsnutzigerer Gemahlin Marie Antoinette auf dem Schafott.

Die englische Monarchie hatte zu dieser Zeit schon ein ausgeklügeltes System von Korrektiven (Parlament) etabliert, und wurde anstelle des absolutistischen Frankreichs zur überlegenen Weltmacht für längere Zeit. Warum? Weil selbst der schlaueste Kerl nicht klüger ist als zwei kluge Kerle zusammen.
Macht es überhaupt einen Sinn sich offen vor der gesamten Menschheit sich als Weltherrscher aufzuschwingen wenn man dann mit Gewissheit sagen kann, dass irgendwann so oder so jemand kommt der einem überlegen ist und einem den Garaus macht, weil man sich so offensichtlich zur Zielscheibe macht?

*Macht* hat immer einen Preis. Das gilt schon weit unterhalb der Weltherrschaft. Die Grundvoraussetzung für Macht ist, Macht haben zu wollen, und wer Macht hat, läuft immer Gefahr, irgendwann für das eine oder andere, was er mit seiner Macht gemacht hat, an die Wand genagelt bzw. an die Laterne geknüpft zu werden.
Tatsächlich kenne ich keine Nachvollziehbare, wirklich BÖSE Motivation die einen antreiben würde.

Nun ja - das ist ja ausschließlich eine Frage der moralischen Wertung...

Die Motivation, alle anderen Menschen dazu zu zwingen, an den selben Gott zu glauben und seinen Gesetzen zu folgen, wie man selbst das tut, ist unübersehbar für viele Menschen eine starke Motivation, möglichst viel Macht haben zu wollen.
Diese Motivation würde ich schon als ausgeprochen böse bezeichnen.

Das ist aber *meine* Moral. Der, der dies tut, und die, die ihm folgen, finden das gar nicht böse. Im Gegenteil. die finden das total gut.
5 years ago
Klar sind "gut" und "böse" Wörter die für jeden eine vollkommen andere Bedeutung für jeden haben, das ist mir schon bewusst. Und genau aus diesem Grunde versuche ich ja, so viele Menschen wie möglich anzusprechen und deren eigene Interpretation zu hören.

Ach so. Du möchtest eine Definition von "gut" und "böse" hören, wie sie andere Leute für sich definieren?

Da wäre meine persönliche recht simpel. Es gibt eine überschaubare Zahl von moralisch-ethischen Prinzipien. Guck in die Allgemeine Deklaration der Menschenrechte, oder in die Artikel 1 bis 20 des Grundgesetzes. Da hast Du dann eigentlich schon alles, knackig und griffig formuliert. Okay, das Grundgesetz haben sie mittlerweile heftig demoliert, das ist teilweise nicht mehr das beste Beispiel. (Artikel 16a gehört nicht in eine Verfassung. Der gehört noch nicht mal in ein Gesetz. Das ist eine Ausführungsverordnung...)

Diese Prinzipien umschreiben, was "gut" ist. Wer versucht, diese Prinzipien zu beschädigen, zu zerstören, abzuschaffen - der handelt böse.

Es gibt aber noch eine andere Seite. Graham Greene lässt in "Der dritte Mann" den Penicillin-Schieber Harry Lime Benito Mussolini zitieren:

"In den 30 Jahren unter den Borgias hat es nur Krieg gegeben, Terror, Mord und Blut. Aber dafür gab es Michelangelo, Leonardo da Vinci und die Renaissance. In der Schweiz herrschte brüderliche Liebe. 500 Jahre Demokratie und Frieden. Und was haben wir davon? Die Kuckucksuhr."

Die Kuckucksuhr stammt nicht aus der Schweiz, sondern aus dem Schwarzwald, das nur am Rande. Aber der Satz ist durchaus *auch* wahr.
Ansonsten würde ich es mir ja einfach machen und vielleicht zwei, drei von meinen Freunden und Verwandten fragen. Oder es würde bereits 100.000 verschiedene Webseiten zu dem Thema geben, vor allem im "Wie schreibe ich einen Roman?"-Bereich.

Um die Frage für mich aber gescheit beantworten zu können benötigt es viele verschiedene Antworten. Wenn man will kann man daraus dann einen Durchschnitt ziehen, welche Eigenschaften die meisten als "böse" erachten und was andere als eher unwichtig sehen.
Es geht mir vor allem auch nicht Primär darum "Was ist böse" sondern um die Motivation einer "bösen" Person.

Wir kommen der Sache näher. Du suchst Motive für das "böse Handeln" einer Person, die Du erfinden willst?

Dann musst Du nicht von dieser Person her denken, sondern von den potentiellen Lesern her.

*** Ich mach Dir ein kleines Beispiel: ***

Irgendwo in einer schönen Gegend lebt eine große Kommune von lieben, netten Menschen in einem kleinen Dorf, das diese Menschen aufgebaut haben. Ganz doll friedlich. Nächstenliebend. Nachhaltig. Ökologisch. Pazifistisch. Rücksichtsvoll zueinander.
Vielleicht kannst Du es Dir ungefähr vorstellen, was ich meine.

Das ist ein Szenario, das für nicht wenige Menschen sehr schön, sehr positiv besetzt ist. Klar, es werden dann sofort welche kommen und sagen: "Schön, aber naiv. Das wird nicht funktionieren, in der Realität. Die Menschen sind nicht so gut."

Aber wir lassen die Leutchen mal so "gut" vor sich hin leben. Ein Kindermärchenbuch. Alles wurde gut, weil diese lieben Menschen nur gutmeinend und gutwollend genug waren.

Eines Tages kommt ein Wanderer in das Dorf. Die Menschen nehmen ihn auf, denn sie sehen, daß er zu müde ist, weiterzuwandern, und anscheinend will er auch gar nicht weiterwandern.

Sie zeigen ihm ihr Dorf, ihr Leben - sie wollen ihn in ihre Gemeinschaft "integrieren". Und NEIN, das ist jetzt absolut keine Anspielung auf die Zuwanderungsproblematik!!! Ich will auf was ganz anderes hinaus.

Es dauert nicht lange, da macht sich Mißtrauen, Zweifel, Zwietracht im Dorf, in der Gemeinschaft breit. Denn der Wanderer, der ist ein guter Beobachter! Er erkennt sofort die kleinen Heucheleien. Die kleinen Lügen. All das, was die ach so guten Gutmenschen unter den Teppich kehren.
Und vor allem erkennt er die subtile verdeckte Macht, die ausgeübt wird.

Und nicht nur das. Er nutzt seine Erkenntnisse. Er sät Zwietracht. Er hetzt die Gemeinschaftsmitglieder gegeneinander auf, ganz subtil, indem er die einzelnen jeweils auf die verdeckte, subtile Macht aufmerksam macht, die andere über die ausüben. Er macht die Heuchelei deutlich.

Und nach kurzer Zeit gibt's im Dorf Streit und Zank und Aggressionen. Die Aggressionen, seien wir ehrlich, waren vorher auch schon da, die hat der Wanderer nicht erzeugt, er hat sie nur offen gelegt.

Und nachdem der Wanderer aus dem Dorf der Gutmenschen ein ganz normales Dorf mit Zank und Streit und Eifersucht und Aggression und Machtausübung gemacht hat, da zieht er weiter. Ein böses Liedchen auf den Lippen macht er sich auf ins nächste Dorf.

Du wirst jetzt Leser finden, und zwar nicht wenige, die gefühlsmäßig sagen: aber das ist doch übel. Das ist doch böse. Und der muss doch böse Motive haben. Warum macht er sonst alles kaputt?

Würde man mich fragen, wäre meine Antwort: ja, der hat da wirklich alles zerdeppern wollen. Das lässt sich schon erkennen. Aber ich finde das nicht "böse". Im Gegenteil, es amüsiert mich zutiefst, und meine Sympathien sind vom ersten Kapital an beim Wanderer, und ich fiebere mit: wen und was und welche Heuchelei wird er lustvoll als nächstes zerlegen?

Somerset Maugham hat mal eine wunderbare Kurzgeschichte geschrieben. Sie handelt von zwei ungleichen Brüdern. Der eine Bruder ist fleissig, gutbürgerlich, ordentlich. Er arbeitet viel und spart, und spart. Der andere Bruder ist ein wahrer Hallodri. Das genaue Gegenteil von seinem Bruder, und immer in Gefahr, auf die schiefe Bahn zu geraten.
Der Ich-Erzähler lernt irgendwo den fleißigen Bruder kennen. Und der klagt ihm sein Leid. Er erzählt von den Gegensätzen, und von seiner harten Arbeit, und daß er dann endlich nach 30 Jahren harter Arbeit ein kleines bißchen Wohlstand erarbeitet hat. Und gerade, als er seinem Hallodri-Bruder unter die Nase reiben will, daß sich sein ganzer Fleiß gelohnt habe, und daß der Hallodri jetzt ja sehe, wo ihn sein Lebenswandel hingeführt habe...

... da habe der Bruder eine stinkreiche Frau kennengelernt, die sei kurz nach der Hochzeit verstorben, und der nichtsnutzige Bruder habe jetzt ein Millionenvermögen auf der Bank und verkehre in den besten Kreisen und sei ein gemachter Mann!

DAS SEI DOCH FURCHTBAR UNGERECHT!

Ja, stimmt ihm der Ich-Erzähler zu, das sei ungerecht. Aber, lässt ihn Somerset Maugham denken: irgendwie ist mir der Hallodri sympathischer, und ich konnte mir ein schadenfrohes Grinsen kaum verkneifen. Irgendwie war mir dieser Bruder sympathischer als der andere...

Vielleicht verstehst Du, worauf ich hinaus will. Es liegt in der Moral des Lesers, was und wen er gut und was und wen er böse findet. Nicht in der Moral der Figur.

Pontius Pilatus war vermutlich nicht der angenehmste Zeitgenosse, weder nach heutigen noch nach damaligen Maßstäben. Obwohl ihm unvoreingenommene Historiker bescheinigen, ein vergleichsweise unbrutaler und rational-effizienter römischer Statthalter gewesen zu sein.

Aber darum geht's gar nicht. Pontius Pilatus ist eine hochinteressante Figur.

Jesus von Nazareth...

... nervt. Nervt mit seinem penetranten Gut-Getue, nervt, und sonst gar nix. Ein selbstherrlicher, aber relativ beschränkter religiöser Fanatiker, weiter nichts. Pontius Pilatus dagegen... viel interessanter. Und mir z.B. auch viel sympathischer. Gerade weil er so vielschichtig ist.
[gone] Charisma1962
5 years ago
Darf ich den Teil mit dem friedlichen Dorf klauen?
5 years ago
Der TO fragt nach der Motivation Böses zu tun.
Nun ja, man kann über die Definition des Begriffes streiten, man kann auch verschiedene Sichtweisen auf das Böse zulassen. Aus einer anderen Sicht ist es vielleicht etwas Gutes.
Warum gibt es überhaupt so viel Böses auf der Welt und es ist keine Änderung in Sicht ?

Was wäre wenn wir alle auf dieser Erde ausschließlich leben um uns auszutoben , um unsere schlechten Gewohnheiten auszuleben ? Wäre das Motivation genug ?

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