Gender und Identität 74

3 years ago
Für die Februarausgabe der Photonews schrieb ich einen Artikel über die neuen großformatigen Bilder von Cindy Sherman, von denen zehn in der Berliner Galerie Sprüth Magers zu sehen waren. Sherman, die in diesen Arbeiten wieder ihr eigenes Model ist, hat sich diesmal 'genderfluid' inszeniert, was interessante Irritationen verursacht. Es ist nicht einfach, die dargestellten Personen eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen. Die genderneutrale Kleidung, die sich Sherman für diese Bilder von ihrer Freundin, der Modemacherin Stella McCartney, geliehen hat, verstärkt diese Bildwirkung.

Gender und Identität sind nicht nur in der aktuellen Kunst(-fotografie) wichtige Themen, auch in der Modefotografie spielen sie inzwischen eine bedeutende Rolle.

Mich interessiert nun, welche Bedeutung Fotografen und Fotografinnen sowie weibliche, männliche und diverse Modelle hier in der MK den Themen Gender und Identität beimessen. Was für Projekte zu diesen Themen habt ihr realisiert? Was plant ihr oder was würdet ihr euch diesbezüglich wünschen? Oder sind diese Themen für euch irrelevant?
Spannendes Thema, was möglicherweise hier wieder etwas "zerfleddert" werden könnte. Auch da bin ich gespannt...

Generell finde ich die derzeitige Genderdiskussion wirklich interessant und auch notwendig. Mir scheint es sind derzeit gesellschaftliche Normen im Umbruch, die ohnehin veraltet waren. Persönlich versuche ich meine Sprache zu gendern und interessiere mich auch in meinem beruflichen Umfeld (Bundeswehr) sehr dafür. Immer wieder erfahre ich da Dinge, die mir wenig oder gar nicht bewusst waren. Spannend und auch Überraschend.

Innerhalb der (Model) Fotografie kommt dies allerdings für mich kaum vor. Ich bin Hobbyfotograf und die Bilder, die ich produziere gefallen mir in erster Linie selbst. Projekte sind toll, allerdings habe ich noch nie eins wirklich geplant und durchgeführt. Im Kopf gibt es durchaus Ansätze, welche aber das von Dir angesprochene Thema nicht berühren.

Kurz: Den von Dir beschriebene Artikel würde aus Interesse heraus gerne konsumieren, eine Produktion innerhalb des Themas ist derzeit bei mir nicht vorgesehen.
3 years ago
ein projekt dazu ist mir nicht im blickfeld
ich will aber sagen, dass es für mich völlig in ordnung ist, wenn ein model sagt, wegen genderfluid ist im vorfeld nicht festzulegen, wie es/sie/er für das shooting erscheint
[gone] User_432557
3 years ago
Hat das undultsame Sendungsbewußtsein der Genderprotagonisten nun auch die MK erreicht. Ach wie schön. Dann kann ich mich auf eine angemessen sachliche Debattenkultur freuen.
3 years ago
In der Sprache empfinde ich das Gendern als Sprach- und Redeflußverhunzung und als betonende Geschlechtertrennung, die damit ja gerade überwunden werden soll.

Aber du redest ja von Bild - also von Erscheinung. Die Vorläufer, also z.B. Garconnes, androgyner Auftritt etc. waren immer spannende Phänomene, gesellschaftlich akzeptiert, wenn auch etwas diskutiert, gerade unter Intellektuellen. Sie waren faszinierend, weil sie auch was Spielerisches hatten und es gelang ihnen leicht, breite Sympathien in der Gesellschaft zu wecken, trotz des widerspenstigen und auch ernsthaften Anteils darin.

Als Modeheini verfolge ich die Bestrebungen der Geschlechterauflösung im Erscheinungsbild schon lange und mein Erleben dort ist geprägt von der Enttäuschung, dass das aufregende Spannungsfeld des geschlechtlichen Selbstbewußtseins negiert statt herausgearbeitet, also spannungslos wird. Und so unglaublich humorlos.

Die Ausstrahlung der erotischen Geschlechtsimplikationen ist meine bildnerische Leidenschaft, aus meiner männlichen Sicht eben hauptsächlich das faszinierend Andere, Weibliche. Je extremer, desto besser, auch wenn diese Abstraktion die Realität verzeichnet bzw. verzerrt.
Insofern wäre ein Gendergedanke für meine Bildwelten der Tod derselben.
Ich weiß, dass ich damit "out of time" gerate.

Gleichwohl finde ich die gesellschaftliche Diskussion darüber nicht unwichtig. Aber im Kämpferischen der Positionierungen werden die Bedeutungen und gesellschaftlichen Relevanzen verzerrt. Und der Anteil dessen, was man als "Modeideologie" bezeichnen kann, ist mir zu heftig. Das schadet gerade - aus meiner Anschauung - dem Image der doch notwendigen Gleichberechtigungsdiskussion.
Aber ich bin ein alter Sack und respektiere es, wenn die junge Generation ihre Gesellschaft anders auslegen will. Und sexuelle Besonderheiten als historische, schädliche Stereotypen relativieren will. Mir ist das zu ernst und zu lustfeindlich angelegt.
3 years ago
Michael Gundelach - With Design In Mind
#2

So, Du "versuchst" also, deine Sprache zu gendern. Glaubst Du
wirklich, dafür werden Dir Deine Fotos verziehen, die jede
Feministin, die nicht mit Blindheit geschlagen ist,
als sexistisch brandmarken
würde? Ebenso wie 99 Prozent aller hier in der MK
ausgestellten Fotos (meine eigenen natürlich eingeschlossen).

Ich will gar nicht von Heuchelei reden. Aber das
Wörtchen naiv wird einem ja wohl in den Sinn
kommen dürfen.

Und auf den Verlauf dieser Diskussion
hier in der MK darf man gespannt sein -
oder eher wohl nicht. Ich hab hier jedenfalls
bisher kein nennenswertes Interesse an
einer ERNSTHAFTEN Auseinandersetzung
mit dem Feminismus bemerkt.
3 years ago
Lieber Rodivo,
nur eine kurze Bemerkung zu Deinen Feminismusgedanken. Die Frauen, die sich als Modelle dem männlichen Blick aussetzen, sind in den allermeisten Fällen auch Feministinnen, denn sie sind vollkommen selbstbestimmt und machen, was sie wollen und was ihnen gut tut. Nur weil es einige Frauen gibt, die die von Männern gemachte Aktfotografie ablehnen, bedeutet das nicht, dass andere sie gerade aus feministischen Gründen befürworten. Ich denke, dass ich bisher noch keine Frau fotografiert habe, die sich nicht als engagierte Feministin sieht. Ich bin auch Feministinnen begegnet, die Porno machen wollen und die es entschieden ablehnen, wenn Radikalfeministinnen in ihrem Namen sprechen. Mit Alice Schwarzers PorNO-Kampagne der 1980er oder den Angry Asian Girls, die vor ein paar Jahren gegen die Araki-Ausstellung bei C/O Berlin gewettert haben, konnten sie sich nicht identifizieren.
[gone] User_432557
3 years ago
Nude & Erotic
Ich mag mich täuschen, aber die meisten Modelle tun es, um (viel) Geld zu verdienen. Sie würden auch gern was anderes machen, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten.
3 years ago
Peppers #7 liest sich in meinen Augen ein wenig wie das Wunschdenken oder die Selbstabsolution eines Schmuddelknipsers.
3 years ago
[@432557] Mag sein. Aber ein Geschlechtsbewußtsein spielt trotzdem eine erhebliche Rolle, wenn man sich entscheidet zu fotomodeln. Und dieses Bewußtsein kann ich keinem meiner bisherigen Models absprechen, auch denen nicht, die es sonst vordergründig für Geld machen. Es scheint mir sogar konkreter ausgeprägt als bei den Männern hinter der Kamera. Die sind ja jetzt hier hauptsächlich angesprochen und ich bin ebenso wie Rodivo gespannt, ob und wer sich wie positioniert.

@Ivanhoe: kommt drauf an, wie komplex man die gesellschaftlichen Standorte wahrnimmt und erkundet. Diese Verflachung teile ich nicht.
3 years ago
#7

Lieber pepper, der Feminismus ist nichts Homogenes, daher
wird es immer auch feministisch interessierte Frauen geben,
die mit den hier zur Schau gestellten Fotos keine großen
Schwierigkeiten haben oder sogar selbst modeln. Die Frage ist
nur: Welche Fraktion überwiegt?

Und wenn Du fast alle weiblichen Models zu Feministinnen
erklärst, dann möchte ich doch noch mal in aller Höflichkeit das Wörtchen
naiv bemühen dürfen.

Was die "vollkommen selbstbestimmten" Models angeht,
so hab ich da, zumindest was einen großen Teil der
Frauen aus den osteuropäischen Ländern betrifft, so meine
Zweifel. Ein 19jähriges Model, das mir beim ersten Shooting
von ihrem aufregenden Leben etwas vorgeschwärmt
hatte, war ein Jahr darauf völlig ernüchtert und
wollte aussteigen. Ein anderes Model nahm
Psychopharmaka und war in psychiatrischer
Behandlung.

Und was mich angeht: Ich hab mich in meinem
Berufsleben auch niemals "vollkommen selbstbestimmt"
gefühlt.
Rodivo
#6 ff
Ja ich "versuche" es, bin aber nicht immer erfolgreich damit. Gleiches gilt für den alltäglichen Rassismus. Beides gelingt mir nicht zu 100%.

Pepper und Marcello haben ja schon einiges zu Deinem Post geschrieben, was ich nicht wiederholen will. Ich kann aber hinzufügen, dass ich bereits mit Gleichstellungsbeauftragten und Trans-Menschen in und außer Dienst zusammenarbeiten dürfen. Niemand hat sich bisher an den "binärmensch Bildern" gestört.

Ja, Feminismus in nicht homogen, generell aber geht es in diesem um Freiheit und nicht Ge- oder Verbote. Daher sind in der Tat Sexworker, Models und Mitglieder der LGBTQ Bewegung in der Masse Feminist*innen.
Es geht diesen Menschen einfach darum, dass sie machen möchten, was sie wollen, ohne, dass ihnen jemand (Hauptsächlich CIS-Männer) erklären wollen, wie sie ihr eigenes Körperverständnis umsetzen sollen.

P.S.: Und ob man die "Ernüchterung" osteuropäischer Models dem nicht funktionierenden Feminismus zuschreiben will, lasse ich mal dahingestellt. In jedem Beruf dürfte es Menschen geben, die sich Dinge anders vorgestellt haben als sie wurden.
[gone] User_432557
3 years ago
Marcello Rubini sagen wir mal Körperbewußtsein. Der Körper als Kunstwerk und nicht das Geschlecht sollte bildbestimmter Inhalt sein. Kann natürlich jeder anders sehen.
3 years ago
Kann man eigentlich den in #1 erwähnten Text irgendwo lesen?
3 years ago
@Matthias Langer
Photonews 2/2021.
Ich frage die Redaktion, ob sie mir ein PDF zur Verfügung stellt.
Schicke es Dir dann gerne als PN zu.
3 years ago
Diejenigen, die die Fotos von Sherman nicht kennen, können sie auf der Homepage der Galerie Sprüth Magers anschauen. Bitte die Filiale in Berlin wählen.
http://www.spruethmagers.com/exhibitions/cindy-sherman-cindy-sherman-berlin-2020/
3 years ago
Das ganze "Gender-Gedöns" ist so überflüssig wie ein Kropf.
3 years ago
Wenn ich eine Idee oder ein Projekt habe und dafür Modelle suche, ist es mir völlig wurscht, ob sie sich als
m- w - divers oder als Hamster fühlen. Sie können sich mit meiner Idee identifizieren , also arbeiten wir zusammen. Sonst bleibt es eben.
Wenn ich nur noch fotografieren soll, wie und warum sich das Model fühlt, bin ich nur noch Dienstleister und kein Kreativer mehr.
3 years ago
@GeorgP. #17
Danke für den Beitrag auf Spelunkenstammtischniveau.
3 years ago
Pepper: Sehr gerne und aus Überzeugung!

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