Das allseits beliebte Urheberrecht - mal von 'ner Meta-Ebene betrachtet 29

27.06.2010
Vielleicht hat ja irgendwer Lust, sich auch mal auf einen Diskurs einzulassen, der das hier allseits bekannte Thema "Urheberrecht" mal von einer übergeordneten Ebene angeht.

Wäre wünschenswert, wenn man sich dabei nicht in den üblichen kleinkarierten Debatten über "wer hat welche Rechte nach einem TFP-Shooting (mit oder ohne, und wenn ja mit welchem Vertrag)" verlieren würde!

Zum Einstieg hab ich hier einen ganz netten Vortrag gefunden. Ist in englisch, es gibt aber auch deutsche Untertitel (unterhalb des Videofensters "Subtitles Available in:")

http://www.ted.com/talks/larry_lessig_says_the_law_is_strangling_creativity.html

Der da spricht ist übrigens Lawrence Lessig. Jura-Professor in Harvard.
"Er wird wegen seiner Reden, Schriften und Beteiligungen an Urheberrechts-Prozessen als einer der bedeutendsten Verfassungsrechtler angesehen." sagt die deutsche Wikipedia über ihn.

Ebenfalls sehr interessant zum Thema ist:
http://www.ted.com/talks/johanna_blakley_lessons_from_fashion_s_free_culture.html
Allerdings leider ohne deutsche Untertitel.
[gone] User_6449
27.06.2010
Meine Einschätzung:

Das ist etwas für den angelsächsischen Markt
und die haben dort andere Regeln als wir ...

Hast Du auch Beispiele für deutsches Recht?

Viele Grüße
Peter
27.06.2010
Die Frage nach der Kreativität hat meiner Meinung nach nichts mit angelsächsisch, deutsch, chinesisch, japanisch oder türkisch zu tun. Die Rechtssysteme sind da gar nicht soooooo grundverschieden (in den Details natürlich schon, aber die wollte ich eigentlich erst mal nicht überbetonen)

Ist nichtsdestotrotz irgendwie eine typisch "deutsche Antwort" (nicht wirklich böse gemeint).

Wie gesagt, wäre schön wenn man den kleinkarierten Kram etwas nach hinten verschieben könnte, glaube ich. Eine Volkswirtschaft lebt auch von Kreativität, nicht nur von Besitzstandswahrung

Original von Peter Herhold
Meine Einschätzung:

Das ist etwas für den angelsächsischen Markt
und die haben dort andere Regeln als wir ...

Hast Du auch Beispiele für deutsches Recht?

Viele Grüße
Peter
27.06.2010
und um das nochmal zu betonen:

Wir leben in einer globalisierten Welt (der Begriff ist schon lustig)

Ich erinner nur mal an die Threads, wo irgendwer Bilder von sich auf Seiten in Neuseeland, Russland oder was weiß ich wo findet. Anyways....

Ich finde das ist schon ein Thema, über das man diskutieren kann, ohne sich in kleinteiliges deutsches Amateur- Juristen-BlaBla zu verlieren.

War zumindest meine Intention.... mal sehen wo's hinführt....
27.06.2010
Ich hoffe, ich klinge nicht zu offensiv?

Ist wirklich nicht böse gemeint.
Die Beispiele im Film zeigten spannende und kreative Collagen. Diese sind bei uns in der Kunst frei vom Urheberrecht, falls einige Anforderungen erfüllt sind. Wikipedia schreibt dazu:

"Urheberrechtlich ist die Collage umstritten. Man kann in ihr eine unfreie Bearbeitung, bei der die Genehmigung der Werke fremder Urheber eingeholt werden muss, oder eine freie Bearbeitung sehen. Eine freie Bearbeitung liegt vor, wenn der Eindruck des Originals gegenüber demjenigen der neuen Werke „verblasst“."

Also richtiges Juristenfutter. Aber auf den heutigen Platformen schert sich kaum einer mehr um Urheberrechte. Eine sinnvolle und praktikable Regelung würde da sicher gut tun.
... Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass die Kreativität nicht nur bei den "Amateuren" liegt (wie es der Vortrag etwas suggeriert), sondern dass "professionelle Kreative" auch ein Berufszweig sind, der unser Leben stark prägt. Wenn wir diesem Berufszweig die Erwerbquellen entziehen, dann gewinnen wir wohl die Kunst der "Amateure", verlieren aber die Kunst der "Profis". Entsprechend schwierig und heikel ist deshalb der richtige Umgang mit dem Urheberrecht. Die richtige Balance der Interessen muss gefunden werden, sonst schütten wir das Kind mit dem Bade aus.
[gone] User_6449
27.06.2010
Original von TWENTYFOURSEVEN-MEDIA
Ist nichtsdestotrotz irgendwie eine typisch "deutsche Antwort" (nicht wirklich böse gemeint).

Natürlich ist meine Antwort eine "typisch deutsche Antwort", denn
ich lebe in Deutschland und das Urheberrecht ist hierzulande sehr
"kreativenfreundlich". Sogar die Pressefreiheit steht bei uns in der
"alten Welt" im Grundgesetz.

Daß es viele Angriffe auf unsere Rechte gibt ist klar und "Google"
oder "Facebook" würden die sehr gern aufweichen. Vielleicht auch
ein "Jura-Professor in Harvard", der von ihnen bezahlt wird.

Seine Rechte aufzugeben halte ich daher nicht für "kleinkariert",
sondern für einen Fehler ...

Viele Grüße
Peter
27.06.2010
Danke Peter für die Antwort, die auch wirklich Substanz hat.

Einzige Gegenfrage, mal ganz unabhängig wer möglicherweise von wem bezahlt wird: Deutschland ist keine Insel - Urheberrecht wie gehabt funktioniert innerhalb Deutschlands weiterhin sicher irgendwie ganz gut, aber wie handhaben wir es international?
[gone] User_81538
27.06.2010
"Wir leben in einer globalisierten Welt (der Begriff ist schon lustig)"

:-) Um Frau Harakiri von und zu ich hau mir das Messer in den Bauch
zu Fotografieren muss Sie schon entweder zu mir kommen
oder ich zu Ihr. Ich werde Ihr Def. nicht den Flug bezahlen.

Soviel zur Globalisierung ... :-)
Ich Fotografiere Menschen und die müssen vor meiner Linse stehen
damit ich Sie Fotografieren kann.

lg.
[gone] User_6449
27.06.2010
Original von TWENTYFOURSEVEN-MEDIA
Deutschland ist keine Insel - Urheberrecht wie gehabt funktioniert innerhalb Deutschlands weiterhin sicher irgendwie ganz gut, aber wie handhaben wir es international?

International hat man kaum eine Möglichkeit
Urheberrechtsverletzungen zu verfolgen ...

Jeder kann Bilder aus anderen Ländern ganz
einfach straflos verwenden, weil eine Klage
viel zu aufwändig wäre.

Falls Du eine brauchbare Möglichkeit findest:

Sag mir bescheid ...

Viele Grüße
Peter
27.06.2010
So wie ich den Proffesor verstehe will er gar nicht das Urheberrecht aushebeln.
Er will mehr Künstler, die ihre Werke zur freien Verwendung freigeben.
27.06.2010
Original von Peter Herhold
[quote]Original von TWENTYFOURSEVEN-MEDIA
Deutschland ist keine Insel - Urheberrecht wie gehabt funktioniert innerhalb Deutschlands weiterhin sicher irgendwie ganz gut, aber wie handhaben wir es international?

International hat man kaum eine Möglichkeit
Urheberrechtsverletzungen zu verfolgen ...

Jeder kann Bilder aus anderen Ländern ganz
einfach straflos verwenden, weil eine Klage
viel zu aufwändig wäre.

Falls Du eine brauchbare Möglichkeit findest:

Sag mir bescheid ...

Viele Grüße
Peter[/quote]

Um ehrlich zu sein, irgendwie mag ich die Situation.
[gone] User_6449
27.06.2010
Original von BS
So wie ich den Proffesor verstehe will er gar nicht das Urheberrecht aushebeln.
Er will mehr Künstler, die ihre Werke zur freien Verwendung freigeben.

Das ist im Prinzip richtig und Kunst sollte öffentlich sein.

Man darf aber nicht vergessen, daß Künstler auch von
irgendwas leben müssen. Idealismus ist also eine sehr
schöne Sache, aber selbst als Künstler man muß irgend-
wann auch mal was essen ...


Viele Grüße
Peter
[gone] User_81538
27.06.2010
Das Unterschreibe ich mal.

lg.


Original von Peter Herhold
[quote]Original von BS
So wie ich den Proffesor verstehe will er gar nicht das Urheberrecht aushebeln.
Er will mehr Künstler, die ihre Werke zur freien Verwendung freigeben.

Das ist im Prinzip richtig und Kunst sollte öffentlich sein.

Man darf aber nicht vergessen, daß Künstler auch von
irgendwas leben müssen. Idealismus ist also eine sehr
schöne Sache, aber selbst als Künstler man muß irgend-
wann auch mal was essen ...


Viele Grüße
Peter[/quote]
27.06.2010
Original von TWENTYFOURSEVEN-MEDIA
Vielleicht hat ja irgendwer Lust, sich auch mal auf einen Diskurs einzulassen, der das hier allseits bekannte Thema "Urheberrecht" mal von einer übergeordneten Ebene angeht.


Ich finde, daß Lessig in jedem einzelnen Punkt recht hat.

Um die Diskussion anzuregen: Wie ist denn Deine Meinung dazu ?
27.06.2010
Original von Peter Herhold
Man darf aber nicht vergessen, daß Künstler auch von
irgendwas leben müssen. Idealismus ist also eine sehr
schöne Sache, aber selbst als Künstler man muß irgend-
wann auch mal was essen ...


Vielleicht hat es ein wenig damit zu tun, das manche Schöngeister sich für Künstler halten, aber eigentlich nur geistigen Dünnschiss produzieren. Der lässt sich natürlich nicht so gut verkaufen wie Kunst. Dann fangen sie alle an zu klagen, wie schlecht es doch den Künstlern geht.
Aber auch hochbezahlte Kunst ist für einen Normalo, so wie ich einer bin, oft nicht verständlich. Da hängt jemand eine komplett schwarze Leinwand an die Wand und nennt es Kunst. Museen und Sammler zahlen horrende Preise dafür. Als Schüler im Kunstunterricht gibts dafür eine glatte sechs!
Wir haben in Deutschland eine gespaltene Gesellschaft in Sachen Kunst. Eine bodenständige Gruppe, zu der ich gehöre und dann die bereits erwähnten Schöngeister der gesellschaftlichen Elite, die dann staunend und Kopfnickend vor solchen großen schwarzen Leinwänden stehen und denken: "grandios"!

Wir werden einander nie verstehen.
28.06.2010
Original von Fotofuxx
Ich finde, daß Lessig in jedem einzelnen Punkt recht hat.

Um die Diskussion anzuregen: Wie ist denn Deine Meinung dazu ?

Ich zitiere mal Jim Jarmusch (der am Ende dann wiederum Jean-Luc Godard zitiert). Insbesondere dieses Godard-Zitat bringt es eigentlich ganz gurt auf den Punkt, wie ich finde.

"Nothing is original. Steal from anywhere that resonates with inspiration or fuels your imagination. Devour old films, new films, music, books, paintings, photographs, poems, dreams, random conversations, architecture, bridges, street signs, trees, clouds, bodies of water, light and shadows. Select only things to steal from that speak directly to your soul. If you do this, your work (and theft) will be authentic. Authenticity is invaluable; originality is nonexistent. And don’t bother concealing your thievery, celebrate it if you feel like it. In any case, always remember what Jean-Luc Godard said: “It’s not where you take things from — it’s where you take them to."

Und pasend dazu noch ein hübsches Zitat von Pablo Picasso: "Good artists copy, great artists steal."
28.06.2010
Regeln, die etwas beschränken, sollte man zunächst ihrer Art nach getrennt betrachten. Da wären Regeln, die das soziale Zusammenleben regeln. Diese sind in ihren Grundlagen unabdingbar, da nur so ein gewaltfreies Zusammenleben möglich ist. In Verbindung mit einer übergeordneten Instanz zur Einhaltung der Regeln, garantiert sie jedem Einzelnen weitestgehend Entfaltung, ohne grundlegende Beschränkungen durch andere, die durch Überlagerungen des Entfaltungsdrangs zustande kommen.

In der Gesellschaft sind -Regel also für das gesellschaftliche Zusammenleben nötig. Die Gesellschaft bestimmt dabei selbst das Maß, das sie bereit ist zu akzeptieren.

Im Bereich der Kreativität gibt es teilweise Regeln, die in Form von Schutzrechten eingreifen, um die Belange Einzelner zu schützen. Solange kein Geld im Spiel ist, sind Schutzrechte nur in so weit nötig, als sie sich auf die Persönlichkeit beziehen und die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Hier dienen die Rechte dem Schutz vor Übergriffen durch Dritte.

Kommt Geld ins Spiel, sieht die Sache etwas anders aus. Patente sichern, so die Meinung der Patenteigner, ihren Lebensunterhalt. Gezeigt hat sich allerdings, dass Patente viel zu häufig Innovation verhindern oder deutlich verlangsamen (der PC und IBM-Patente ist da ein sehr gutes Beispiel). Die Produktpiraterie, die zwischenzeitlich so weit gediehen war, dass nachgemachte Produkte auf den gleichen Maschinen hergestellt wurden wie die Originale, stellt hier nur einen Auswuchs im Sinne der Regelwut dar, den es nach Meinung der Hersteller mit allen Mitteln einzudämmen gilt. - Diesen Bereich weiter zu denken, könnte bedeuten, dass man den Herstellern vorhalten muss, dass sie ihre eigenen Innovation, die sie vor Nachbauten geschützt hätte, zu Gunsten des gesteigerten Profits durch billige Löhne im Ausland, hergegeben haben. Es hätte gar nicht so weit kommen müssen, hätten sie rechtzeitig erkannt, dass der beste Schutz ihrer Produkte nicht Gesetze sind, sondern eben jene Innovation, die in der Kunst der Kreativität gleich gesetzt werden kann.

Eine Einschränkung der Kreativität gibt es nicht, das wurde in den Videobeiträgen mehrfach betont. Zielführend wäre sie ohnehin nicht, da erst in langwierigen Verfahren festgestellt werden könnte, wer wessen Rechte verletzt und die Zeit dem Urteil so weit vorauseilt, dass längst neue kreative Schübe Altes vergessen machen.

Bleibt das Urheberrecht, das sich nicht auf Kreativität, sondern Werk bezieht, genauer: ein konkretes Werk. Werke ähnlicher Art von anderen Personen bleiben im Urheberrecht unberührt, zumal beim Urheberrecht nicht vorrangig der Aspekt des Schutzes der Leistung des Urhebers betrachtet wird, der steht außer Frage, sondern die Nutzung, also geldbringende Verwertung.

Man muss letztlich zwischen Kreativität und Nutzung unterscheiden. Kreativität einzuschränken wirkt sich immer negativ aus, was Zahlen aus der Wirtschaft (Ansätze wurden im Video ja bereits gezeigt) klar belegen können. Der Schutz des Einzelnen vor Missbrauch seines Werkes hingegen, hat für den Einzelnen nur positive Auswirkungen und stellt damit ein erhaltenswertes Gut dar.

Als weitere Überlegungsgrundlage möchte ich den Gedanken einbringen wie sich die Situation verhalten würde, wenn kein Geld im Spiel wäre. Produkte also nicht in Hinblick auf Vermarktung hergestellt würden, sondern zu unentgeltlichen Nutzung durch Dritte?
28.06.2010
Warum wundert es mich nicht, dass eien fundierte Diskussion bei dem Thema nicht wirklich gut ins Rollen kommt. Wahrnehmbar ist das Thema eigentlich nur dann, wenn jemand merkt, dass eine Bilder leider irgendwo anders fremdpubliziert worden sind.

Für diejenigen, die davon leben, dass ihre Bilder (oder Werke im allgemeinen) kommerziell genutzt werden, ist das Thema von grosser Bedeutung. Und ichd enke da nicht nur an Bilder, Musik, sondern auch an Produktpiraterie,...

Ich hätte auch nichts dagegen, wenn der europäische Zoll verstärkt den Touristen die billigen Imitate von LV Taschen abnehmen würde und so manchen Koffer durchstöbert. Den was viele nicht wissen, oder nicht wissen wollen. Oft sind diese 5€ Nachbauten aus Fernost extrem mit Schadstoffen belastet und kommen mit einer nicht zu unterschätzenden Gesundheitsgefährdung daher.

Zurück zu den Bildern. Von mir wird leider sehr oft in Fernost kopiert und publiziert. Dagegen kann man leider nicht serh effektiv von hier aus vorgehen und das unterbinden. Und vieles bekommt man auch gar nicht mit, wenn Zeitschriften (Print und Online) das Zeug verwerten. Bildsuchmaschinen sind da bei weitem noch nicht so gut. Aber am meisten macht die Rechtsverfolgung Schwierigkeiten.

Uns in der Firma entsteht allein, und wir sind echt nicht gorss, etwa ein jährlicher Schaden von 6000-10.000€.

Das ist natürlich ärgerlich. Wir verfolgen nur noch Verletzungen unserer Nutzungsrechte innerhalb der Eu und den USA, weil das recht einfach ist und nicht mit heftigen Kosten verbunden ist.

Gruss
Boris

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