Die Fotografie ist tot, es lebe ... 113

[gone] User_184280
5 years ago
Wim Wenders sucht öffentlich nach einem neuen Namen für Smartphone-Schnappschüsse:
https://petapixel.com/2018/08/01/wim-wenders-phones-have-made-photography-more-dead-than-ever/

Seine These: nur Fotografie, die gesehen wird, ist als solche zu benennen. Die meisten Handybilder schlummern dagegen irgendwo im Speicher.

Man mag ihm zustimmen oder nicht, aber ich finde, es ist nachdenkenswert, wie sich das Medium Fotografie durch die Smartphones verändert hat. Weniger das, was wir so mit unseren großen, schwarzen DSLR (oder nicht so großen DSLM) machen, sondern wie die ständige Verfügbarkeit einer immer besser werdenden kleinen Taschenkamera, mit der man auch telefonieren (surfen, malen, texten, aufzeichnen ...) kann, die Fotografie allgemein auf- und abwertet.

Seit dem 19. Jahrhundert haben sich technisch einige Revolutionen ereignet und ich meine, dass wir in einer Phase angekommen sind, in der die Knipserei endgültig alle Bereiche unseres Lebens (die dritte Welt mal ausgeschlossen) erreicht hat. Die Digitalisierung hat uns von den lästigen Materialkosten Film und -entwicklung befreit, Photoshop und Filter wie Prisma machen Manipulation und Verfremdung einfach.

Wie gesagt, man kann heute Fotografie noch genauso beabsichtigt und aufwändig betreiben wie früher, analog und ohne Bearbeitung z.B., aber das praktisch kostenlose Erstellen eines Selfies oder eines Schnappschusses eines Zettels, einer Visitenkarte oder eines Bildes in einer Kunstausstellung, in der Kameras verboten sind, ist meines Erachtens der letzte Schritt zur Befreiung der Fotografie.

Aufgewertet wird die Fotografie dadurch, dass man auf dem Display vor der Aufnahme schon sieht, wie das Bild wird, wodurch ein sofortiger Lerneffekt entsteht. Abgewertet in den Augen derer, die glauben, Fotografie sei nichts Besonderes mehr, man müsse nur auf einen Knopf drücken.

Wie nutzt ihr euer Smartphone? Ist es eine Hilfe für eure Fotografie oder läuft das Geknipse mit iPhone & Co. parallel zu eurem anderen Schaffen?
#2
5 years ago
Die Produktlinie der digitalen "100 €"-Einsteigerkameras hat sich durch Smartphone und Tablet erledigt - und mit den Aufsteck-Vorsatzobjektiven dazu schmilzt vielleicht auch die Distanz zu den hochwertigen Kompakten und Bridgekameras.
Was die Nutzung von Smartphones und Tablets angeht, "wo Kameras verboten sind" ... das war vor 2-3 Jahren wirklich grotesk - um mich herum hielten bei einer Fashionshow im Warenhaus Dutzende von Leuten ihre Smartphones und Tablets hoch, aber ich mußte unter Androhung von Platzverbot und Hausverweis die DSLR wegstecken.
Was nun die Namenssuche betrifft ... Instagrafie statt Fotografie ? Instant = sofort, spontan und schnell. Vielleicht charakterisiert es das am Besten - wobei ich aber auch schon von bewußter, geplanter und mit definierten Einstellungen genutzter Smartphonefotografie las.
5 years ago
"Aufgewertet wird die Fotografie dadurch, dass man auf dem Display vor der Aufnahme schon sieht" - wie auch so ziemlich jede Kamera die keine DSLR im Live-View ist... also überhaupt nichts besonderes.
Smartphones hat man überall dabei und in erster Linie ist da wohl die sofortige Weiterverwendung im Netz und Bearbeitung mit Apps zu nennen, was unverständlicherweise kein Kamerahersteller ordentlich auf die Reihe bekommt.
Es bleibt leider schlicht für mich der Umstand, daß ich mit dem Smartphone nicht fotografieren kann. Haptisch. Psychologisch. Ich benutze mein Smartphone überhaupt nicht dafür, selbst für den Notfall hab ich 'ne Knipse dabei. Mit meinem allerersten habe ich mal kurz ein bißchen Instagram bedient, aber das hat mich nie befriedigt. Mit der Qualität hat das nicht viel zu tun, zwar waren meine Smartphones nie mit besonders guten Kameras ausgestattet und Weitwinkel ist nicht so meins, aber das eigentliche Problem war daß ich was in der Hand haben muss das sich nach Fotoapparat anfühlt.
5 years ago
Smartphone was? Was ist das? Ich bin Smartphoneverweigerer, und -Kritiker.
5 years ago
Sorry, aber ich halte den Ansatz für falsch. Und ich fühle mich in meiner Meinung bestärkt, wenn ich die Masse der Ergebnisse sehe.
Fotografie heiß immer noch "Zeichnen mit Licht", setzt also einen Denkprozess voraus. Womit das Gedachte realisiert wird, hängt primär von den Fähigkeiten des Anwenders ab. Wobei natürlich physikalische Gesetzmäßigkeiten nicht außer Karft gesetzt werden können.
Es git also in den diskutierten Endbereichen und dazwischen Unmengen schrottiger Umsetzungen und wenige ansehenswerte Leistungen, die dem Begriff Fotografie gerecht werden.
[gone] User_6449
5 years ago
Wie wäre es mit "Digigrafie", wenn die Bilder nur digital gespeichert sind ...
5 years ago
Die Art der Digitalfotografie, von der Wim Wenders spricht, also die, bei der die Leute hinterher nicht einmal ihre gemachten Fotos betrachten, bringt mich auch schon lange zum Nachdenken. Warum machen die das? Ist es eine neue, bestimmte Art etwas "Besonderes" wahrzunehmen, also nicht mehr direkt, sondern via Smartphone? Das vermute ich, aber ich frage mich, welche Erlebensdisposition führt dazu?

Oder ist es die insgeheime Angst, dass man sich Livebilder nicht mehr einprägen könnte, weil alles zu viel ist? Ein Mißtrauen in das eigene Erinnerungsvermögen?

Oder ist es vielleicht die Ungeduld, sich im authentischen Moment auf das Gesehene vollständig einzulassen, mit der Hoffnung, das hinterher bei der Bildbetrachtung in Ruhe zu tun?
5 years ago
Irgendwie ist es die Diskussion eines Formel-Eins-Forums über Bobbycars.-
#10
#11
Jede Kamera ist nur ein Werkzeug.
Bilder entstehen im Kopf und die Kamera hält sie nur fest.
Ich kann eine Kamera nur Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten einsetzen.
Wenn ich die Grenzen dieser Möglichkeiten kenne kann ich mit jeder kamera gute Bilder machen.
Denn die entstehen ja in meinem Kopf und die Kamera hält sie nur fest. Egal ob Handy-Kamera oder Hightech-Modell ......
Ich finde das super. Es sind andere Bilder, aber mit meinem Handy knips ich voll oft. Zumal ich auch keine Lust hab, ständig so eine unförmige Kamera rumzuschleppen. Das ist dann teilweise eher ein Notizbuch. Und andererseits finde ich es auch sehr viel charmanter, nicht einfach nur eine Textzeile 'Bin gerade in Berlin' entgegengeschleudert zu bekommen, sondern einfach ein Bild (oder genauer: 20 Bilder :D). Das find ich cool.

Seitdem Handys Computer sind und eine Kamera haben, machen sie für mich eh auch erst Sinn - früher fand ich die Idee nämlich eher absurd, ständig ein Telefon mit mir rumzuschleppen. Hab ich dann auch nicht. Aber es sind ja keine Telefone mehr.

Das Unbehagen gegen diese Bilder kann ich nicht nachvollziehen. Und auch den sich darin verbergenden Kulturpessimismus. Handybilder bieten neue Möglichkeiten und neue Möglichkeiten zu besitzen ist in der Regel ein Fortschritt.
#14
5 years ago
Carsten Weiss - das überzeugt mich schon soweit. Aber hast du auch den Reflex, wenn etwas "Besonderes" passiert, sofort das Knipshandy hochzureißen?
5 years ago
Wobei ich mich Frage wieso man heutzutage eine "immer-dabei" braucht?

Wo kommt das Bedürfnis her die Kamera mit auf die Toilette zu nehmen um dann auf FB und sonstwo "Mein heutiges großes Geschäft" mit Bild von der gefüllten Kloschüssel zu posten - und das jedesmal?

Quasi das Äquivalent zu dem platt auf die Fritten, den Kuchen, den Frühstücksteller gehaltenen Weitwinkel um aller Welt zu zeigen: Bewundert mich, ich bin der Held, ich bin besonders, ich bin Glücklich, Liked mich weil ich hatte heute früh eine scheibe Brot mit Käse - KÄSE - Gehirn explodierend, Faszinierend, Unbegreiflich - Echter Käse! - Zum FRÜHSTÜCK!!!

IRgendwie haben heute sehr viele Angst sie würden ihr leben Verpassen wenn sie nicht jede Sekunde der Welt mitteilen können (und verpassen dabei tatsächlich ihr Leben, weil sie vom Konzert nichts mitbekommen da sie es ja mit dem Handy dokumentieren müssen).

Da bin ich leider zu introvertiert zu.
5 years ago
ich habe noch kein Handybild gesehen, das fotografisch als Fortschritt angesehen werden kann.
Nur weil ich ein bobbycar überall mit hinschleifen kann, ist es noch kein Fortschritt gegenüber einem Ferrari.

Das ist Instagram-Knipserei, und hat mit Fotografie wenig zu tun. Lieber mit geringstem aufwand 2000 beliebige Fotos verschicken, als den "Aufwand" eine richtige Kamera mitzuschleppen und ein einziges Foto mit Anspruch zu machen.
5 years ago
das Konzert-Beispiel ist SEHR zutreffend!!!! Es gibt tatsächlich Leute, die Ihr Leben "durch" das Handy leben.
das sofortige Hochhalten des Handys bei jedem Verkehrsunfall mit blutenden Opfern, bei jedem "Ereignis" vom Konzert bis zum ersten (oder letzen) Kuss,...ich kenne Leute, die zugeben, daß sie den ganzen mit ihrem Handy produzierten Medialen Abfall noch nicht mal als wert befinden sich auch nur einmal anzusehen...
5 years ago
Ich bin froh mein Handy als Kamera immer dabei zu haben (outdoor). Ich komme immer wieder an schönen Stellen vorbei die ich festhalten will. Grade für Landschaftsfotografie eignet es sich super. Ich habe in meinem Handy 2 Leica Linsen, kann RAW speichern, im RAW Modus vieles einstellen (Belichtungszeit, Weißabgleich usw.) und danach entscheiden ob ich auf dem RC entwickel oder der PS App. Oder beides.

Auch Macrofotografie mache ich in letzter Zeit lieber mit dem Handy. Die Linsen geben es her, das Bokeh ist schön, das ungeübte Auge sieht den Unterschied nicht mehr.
[gone] Charisma1962
5 years ago
Wenn man das Handy hochreißt und knipst, hat man einen anderen Blickwinkel und sieht vielleicht mehr. Für kleine Menschen keine schlechte Möglichkeit.

Mein Handy ist meine Beweis-Kamera. Hab was gekauft und es kam in diesem Zustand an. Hab was unterschrieben und mache schnell noch Fotos von weiteren Unterlagen. Will etwas kaufen, hab keine Beratung und knipse eben den Typ ab, um im Netz zu recherchieren. Hab ein Problem, knipse das und kann jeden fragen. Und letztendlich ist es bei einem Unfall Gold wert.

Manchmal bin ich aber auch unterwegs und sehe etwas, was sich lohnt, bildlich festzuhalten, aber das schaue ich genauso an, wie Bilder von der richtigen Kamera.

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