Der richtige Blick ... 142

1 year ago
Die Unterscheidung zwischen richtig und falsch ist eine Hilfskonstruktion, um das eigene Urteil zu begründen und geht vom eigenen Status Quo aus.


Das mit den Hilfskonstruktionen stimmt schon. Sprache ist auch eine Hilfskonstruktion um dir meine Gedanken, welche du nicht erahnen kannst, zu vermitteln.

Ich sehe daher diese Hilfskonstruktion nicht nur als Mittel zur Durchsetzung der eigenen Position, sondern auch als Form der Verständigung.

Ein konkretes Beispiel. In der Agentur sagte mein damaliger Chef immer, begründe eine Farbwahl nicht mit: "Weil ich das schön finde, jeder findet etwas anderes schön. Sag ich nehme Blau, weil Blau als fortschrittlich wahrgenommen wird."

Wenn ich einen schwarzen Hintergrund habe, lassen sich manche Schriftfarben schlecht lesen. Diese sind dann "falsch" bezogen auf den Hintergrund. So sehe ich richtig und falsch.
1 year ago
An dieser Stelle möchte ich sagen, dass ich allen danke die sich hier auf dieses Thema eingelassen haben.

Besonders Tom Rohwer der sehr ausführlich Stellung genommen hat, was mir geholfen hat seine Position besser zu verstehen.

Was ich hier mitnehme ist: fast alle Schreiber haben irgendwie Recht mit ihren Gedanken. Dennoch passen viele Positionen scheinbar nicht zusammen.

Ich gehe mit Tom, wenn er schreibt:

Es ist mir zunächst mal völlig wurscht, ob das Werk einem Betrachter gefällt oder nicht - ich mache das ausschließlich, weil ich es so machen will oder den Drang empfinde, das so machen zu müssen.


Ich lasse mich beim fotografieren auch in erster Linie von meinen Ideen und Bedürfnissen leiten … ABER … ich habe mich auch intensiv mit Gestaltungstheorien und Fotografie beschäftigt. Von Susan Sontag bis Stephen Shore.

Das zeigt mir, es ist mir nicht völlig „wurscht“ was der spätere Betrachter von meinem Bild hält. Ich möchte die Wirkung meines Bildes auf den Betrachter orchestrieren. Fotografie ist eben für mich keine Form der Masturbation, sondern Kommunikation.
1 year ago
Das "Foto-Magazin" bringt seit einiger Zeit in jeder
Ausgabe eine Bildkritik mit sehr konkreten Anmerkungen,
die ich in aller Regel nachvollziehen kann. Das zeigt,
finde ich, dass es möglich ist, über Geschmacksfragen
vernünftig zu reden. Ein gewisses Maß an Gemeinsamkeiten
sollte natürlich vorhanden sein. Aber müssen denn ein
iranischer Schiit, ein frierender Eskimo, ein von Covid
gebeutelter Bordellbetreiber, meine liebe Schwiegermutter,
Alice Schwarzer und der hochgeschätzte "Moments"
meine Bilder übereinstimmend richtig toll finden? Wohl nicht.
1 year ago
Marcello Rubini

Aber du kannst ja mal ein paar Minimalforderungen aufstellen, an die du glaubst. Das wäre dann mal "Butter bei die Fische“.


Ich will versuchen, es zu beantworten. Meine Minimalanforderung an ein gelungenes Bild …

Es darf mich nicht langweilen!
(Lach, ich weiß das ist ziemlich unbrauchbar unter dem Gesichtspunkt: „Butter bei die Fische“)

Es gibt Bilder, die bedienen bestimmte Genres: Klassischer Akt, Portrait, gestellte Szene, usw.

Mir hilft es, wenn ich das Genre erkennen kann, weil ich davon meinen „Blick“ auf das Bild abhängig mache.

Sehe ich, da möchte jemand nur seine hübsche Freundin zeigen, so suche ich nicht nach einer Geschichte im Bild oder vermisse interessante Licht/Schattenspiele.

Habe ich den Eindruck, der Fotograf will mit dem Bild eine Geschichte erzählen, so frage ich mich: Kann ich die Geschichte erkennen, ist sie handwerklich gut erzählt, ist sie mysteriös, usw.

Man kann alle diese Kriterien auch anzweifeln, schon klar. Aber in den meisten Fällen wollen Menschen die einen Science-Fiction Film anschauen auch Raumschiffe sehen, oder sind enttäuscht wenn in einem Western Movie die Schiesserei ausbleibt.

Ich möchte also meine Erwartungen an ein Genre zumindest teilweise erfüllt sehen. Warum? Weil ein Bild das ich überhaupt nicht einordnen kann, meistens auch nicht zu mir spricht. Ich kann nicht mit dem Bild nicht emotional verbinden.

„Es gibt mir nichts“ oder „Es hat nichts“ wie man es manchmal unter Bildern liest.

Wenn ich glaube zu verstehen was der Fotograf sagen wollte, frage ich mich: „kann ich ihm die Szene glauben?“ … Danach ist die Bild-Idee halbwegs originell.

Ich sehe in der MK etliche Bilder, denen zwar eine Idee zugrunde liegt, die ich aber „dämlich“ finde.

Nichts is unbefriedigender als ein Witz ohne Pointe.

Wie du siehst, habe ich einen egozentrischen Blick auf Bilder, also was ist drin für MICH.

Aber es gibt auch Bilder, die mich nicht ansprechen die aber so gemacht sind, dass ich glaube sie sprechen andere Menschen an.

Erst wenn mir auch dazu die Fantasie fehlt, halte ich ein Bild für schlecht.
1 year ago
#44 - Danke. Es geht also vorwiegend um die Bildidee, genregerecht. Und je besser man mit einem Genre vertraut ist, desto originellere Erwartungen hat man wohl. Das liegt auch nahe bei meinen persönlichen Vorstellungen und damit auch die erste Forderung.
Auch ich mache die Bildqualität zuerst an der Bildidee fest. Aber hier (im Forum), so habe ich es bisher beobachtet, spielt handwerkliches Raffinement eher die entscheidendere Rolle. Und man geht auch davon aus, dass damit handfestere Kriterien auf den Tisch gelegt werden können.
Gute oder bessere Bildideen einfordern ist eine hoch gelegte Latte, ich bin gespannt, wie andere darauf reagieren .....
1 year ago
M-Zyks #44 : Ich glaube mit diesen Einstellungen bist Du nicht weit entfernt mit dem, wie es die meissten Fotografen, die ich kenne , auch halten. Ich lese daraus, dass Du verstehtst, dass die eigene Wahrnehmung, der eigen Geschmack etc. , Einfluss auf die Beurteilung nehmen. Kultureller Hintergrund nicht vergessen. ( z.B. derzeitige Dokumenta Diskussion)
Zu dem von Dir am Anfang eingeworfenen Gedanken, was Kommentare leisten können sollten/ müssten, möchte ich sagen, dass Du in jedem Fall siehst, dass das Bild irgendwas mit dem Betrachter macht. Auch bei abschätzenden oder negativen einträgen. Es ist dann Deine Sache was Du daraus machst, oder wie Du es aufnimmst. H. Newton hatte dazu 'ne gesunde Einstellung.
Das mit dem Konsens oder allgemeinen Regeln... Da bin ich mir unsicher. Marcello Rubini #45 schneidet es an. Handwerklich gibt es sicher Kriterien. Das gab es hier auch schon in anderen Diskussionen. Was die Bildaussage angeht, wird es dann schon schwammiger. Und Bildideen... da scheitere ich schon selber oft an mir, das könnte ich gar nicht definieren.
1 year ago
Was die Bildaussage angeht, wird es dann schon schwammiger.


Ich denke auch, dass hier am meisten rauszuholen ist. Ein Bild muss nicht immer eine Aussage, bzw. Botschaft haben. Es gibt viele schöne Fotos, die sagen wir ... beschreibend sind. Sie zeigen einen Baum, ein Haus, eine Frau und das alles ist schön anzusehen.

Aber irgendwann möchte man vielleicht eine eigene Handschrift entwickeln und etwas zum Audruck bringen. Da kommt dann eine Botschaft ins Spiel.

Das gleiche Problem haben - so scheint es mir - Musiker. Einige kommen über die Texte zur Musik, aber viele kommen über die Freude am musizieren zur Musik. Die stehen plötzlich auch vor der Frage, ich singe gern, aber was soll ich singen? Was für eine Botschaft will ich senden? Manche haben keine und das hört man dann auch. Hyper, hyper ...

Filmemacher sind da einen Schritt weiter. Niemand sieht einen Film wegen seiner handwerklichen Präzision, dem guten Stereoton, den Schnitten, usw an. Es ist zwar so, dass ein schlecht produzierter Film den Spaß daran trübt, aber ansehen tut man einen Film wegen der Story. Sie ist das worum alles kreist.

Aktfotografen erkennen auch zuweilen, dass die 100derste nackte Frau am Baum etwas "boring" ist. Dann denkt man sich eine Szene aus. Stellt sie mit einem Pinsel und Farbeimer auf eine Leiter und lässt sie die Decke anstreichen und dabei eine Zigarre rauchen. Ich sehe es und denke: "Was tut sie da? Und wieso nackt?"

Oft macht Nacktheit in Verbindung mit einer Bild-Idee überhaupt keinen Sinn. Dann drängt sich der Verdacht auf, dem Fotografen war die Szene völlig egal, er wollte nur "auf Teufel komm raus" eine nackte im Bild haben.

In solchen Momenten, wünschte ich mir, mehr Anspruch des Fotografen an sein Werk.
1 year ago
Hallo M-Zyks,

ich gebe Dir Recht, das das was Du als den richtigen Blick bezeichnest für uns Fotografen sehr wichtig ist und natürlich die Bildqualität so wie wir Fotografen sie beurteilen sehr wichtig ist.
Model oder neutrale Betrachter haben da oftmals andere Kriterien oder haben "unseren Blick" nicht.
Aber DEN richtigen Blick gibt es sicher nicht. Sonst würde jeder Fotograf diesen richtigen Blick anwenden und Fotografie wäre schnell eintönig und langweilig.
"Geschmack" - der eigene Geschmack und der Geschmack der Betrachter spielt dabei sicher eine Rolle und Geschmack ist subjektiv und variiert.

Ich betrachte Bilder danach, ob sie mir gefallen. Ob mir ein Bild gefällt, dafür gibt es ganz viele verschiedene Gründe. zB "der richtige Blick des Fotografen", schöne Lichtstimmung, gut getroffenes Model / hübsches Model, passendes Outfit, reizvolle Umgebung usw

Ich stimme Dir uneingeschräkt zu, das es auf der Modelkartei einige gute Fotografen gibt. Es gibt eine ganze Reihe von Fotografen, die ich nach meinem subjektiven Empfinden für gut oder sehr gut halte und deren Bilder ich sehr gerne betrachte.
Und ja - du hast weiter Recht auf 60-80 Prozent der hochgeladenen Bilder könnte ich verzichten. Bei den Zahlen musst Du aber gleich auch berücksichtigen, das auch Model Bilder hochladen und von diesen Bildern auch viele für meinen Geschmack unter die 60-80 Prozent fallen. Damit bleiben Tag für Tag aber immer noch genug Bilder, die man gut betrachten kann.

Es gibt aber eben auch verschiedene Gründe, warum Bilder hochgeladen werden.
Du gehst von dem Fotografen aus, der meint ein qualitativ hochwertiges Bild zu haben, das er hier zeigen möchte (und für das er vielleicht auch bewundert werden möchte). Das wäre auch meine Einstellung.
Dann gibt es aber vermutlich auch Fotografen, die sich darüber freuen, das sie es geschafft haben ein "angesagtes" oder besonders hübsches Model zu fotografieren. Wie dieses Model auf dem Bild wirkt ist für sie zweitrangig. Oder Hauptsache man sieht viel von der Nacktheit.
Und es gibt Model, die Bilder hochladen. zB schlechte Selfies. Auch sie werden gefeiert, obwohl das mit dem "richtigen Blick" garnicht mehr hinkommt.
Ich will damit sagen, das du diese Motivation auch noch berücksichtigen musst.

Und bei den Kommentaren musst Du dann auch bedenken, warum kommentiert wird. zB weil dem Kommentarschreiber einfach das Bild gefällt. Weil ihm der "richtige Blick", das Model, die Lichtstimmung, das Outfit etc gefallen. Oder - und jetzt sind wir wieder bei den "schlechten Selfies", weil man sich bei dem Model "einschleimen" will. Vielleicht aber auch, weil man dem Model eine Bestätigung zukommen lassen möchte.
Ich selber finde es wichtig Fotografen und manchmal auch Model positiv zu bestärken, wenn mir etwas gefällt.

Ich selber habe einen breit gefächerten Geschmack und finde Vielfalt für mich wichtig. D.h. mir können auch Bilder gefallen, die ich selber nicht machen würde oder machen könnte. Es gibt hier auch einige "Spezialisten". Ich finde es aber meist sehr gekonnt, was diese "Spezialisten" machen und sie haben ganz bestimmt ihre Berechtigung.
Der "Fotograf", dem es hier nur um "Pornos" geht, der wird Dein Portrait natürlich nicht bewundern. Den meine ich aber auch nicht.

Und zu Deinem Abschlussatz: Bildkommentare geben meist ein positives Feedback. Irgendjemandem hat das Bild aus irgendeinem Grund gefallen. Geschmäcker und Motivation sind dabei breit gestreut.
1 year ago
Wenn Du Ideen für Inhalte hast, ist das die halbe Miete. Bei mir fängt das Problem oft mit dem "Wie" erst an.
Zu Krampfhaft nach Sinn oder Anspruch zu suchen würde mich definitiv eher hemmen. Es darf auch einfach nur schön sein ( für mich !).
Aber eine andere Frage drängt sich mir auf: Für wen? Meiner Einschätzung nach wäre das dann ja eher für Dich. In der Mk dann natürlich noch ein paar für die Models.
Aber wäre schön wenn Du dazu Stellung nimmst, das war ja nur geraten von mir, weil ich es so mache.
1 year ago
... und noch zu dem 100. (langweiligen) Aktfoto am Baum.

Mach ein Experiment. Finde 100 Fotografen, die sich jeweils ein Model (also jeder hat ein anderes Model) suchen und von diesem Model 1 Aktfoto am Baum einreichen. (Dummerweise alles Pay und du musst für alle bezahlen :)

Du wirst bestimmt überrascht sein, wie unterschiedlich die Bilder werden und vermutlich werden sich nur wenige Bilder ähneln. Ausserdem wirst Du überrascht sein wie unterschiedlich die Bildqualität nach Deinem Geschmack ist.
1 year ago
Der richtige Blick, der ist insbesondere auf der Amateur-Front der Fotografen leider nicht Usus. Wer ihn hat, egal ob erarbeitet oder "angeboren" kann sich erstmal glücklich schätzen. Wenn der dann noch mit Phantasie für das Sujet/Motiv und handwerklichem Können für die Umsetzung einherkommt, sollte aus meiner Sicht nicht viel schiefgehen.

Warum mir ein Bild gefällt? Das ist vielfältig und vor allem subjektiv, FrankZa hat das in Nr. 48 ganz gut beschrieben.

Übrigens M-Zyks, finde ich deine Formulierung "fotografische Inzucht" schon mal preisverdächtig!
Die Frage nach der Bildaussage, nach dem "Was willst Du uns damit sagen", entlockt mir nur Gähnen. Meine Fotos (z.B.) wollen nichts erzählen. Es sind Inszenierungen, egal ob mit Model oder ohne.

Und zur Ausgangsfrage: Wenn jemand bei mir unter eine Bild pinselt "tolle Farben" ... dann weiß man ja wo der Hase läuft. Lässt mich nach all den Jahren MK zumindest noch schmunzeln - früher war's ein Lachen.

Und zu FrankZa: Yap. Das mache ich gerne auf Workshops: Drei oder vier Leute nebeneinander stellen und das gleiche Motiv vorgeben. Du erhälst vier unterschiedliche Fotos - überrascht mich hins. der Vielfalt immer wieder.
1 year ago
Aber irgendwann möchte man vielleicht eine eigene Handschrift entwickeln und etwas zum Audruck bringen. Da kommt dann eine Botschaft ins Spiel.
Das ist die entscheidende Schwelle. Man kann es Handschrift nennen oder wie ich Bildwelt. Für mich werden Bilder von da an interessant und gut. Dann kann gegebenenfalls sogar ein Akt am Baum noch Erstaunen bewirken.

Solange der Fotograf seine Aufnahmetechnik zum Thema hat, finde ich das höchstens so gut wie ein solide gedecktes Dach, das keinen Regen durchläßt. Und wenn er gar kein Thema (Position zum Motiv) hat, kann man auch nix gut (= gelungen) finden.

Bleibt Zyks Frage nach dem Bildkommentar. Wie soll der aussehen bei einem interessanten Bild? Bewertend? Kritisch? Spontane Begeisterung? Emotional berührt? Subjektiv? Objektiv? Technisch? Thematisch?
(Ich persönlich glaube, es erübrigt sich, was Fritzchen Betrachter dazu auszuführen hat, finde aber simplen, ehrlichen Beifall schon okay. Der erwähnte Musiker freut sich ja zu recht auch drüber.)
1 year ago
t.spors
Aber eine andere Frage drängt sich mir auf: Für wen?


Ich bin mir nicht sicher, ob ich deine Frage richtig verstehe. Ich lese es so, als das du fragst, für wen soll ich das Bild inszenieren? Für ein paar Modelle und wenige Fotografen die es schätzen?

Für dich kann ein Bild einfach auch nur "schön" sein, wie du schreibst.

Im Kern, inszeniere ich auch aus genau dem Grund. Es soll schön sein. Aber was ist schön?

Ich sehe hier in der MK viele schöne Portraits schöner Frauen. Diese Bilder sind schön wie Sonnenuntergangspostkarten. Davon hat man aber auch irgendwann genug.

Zudem würde ich mir ein solches Portrait niemals in die Wohnung hängen, weil ich dann ständig gefragt würde: "Ist das deine Freundin?" Wenn ich dann mit Nein antworte, käme die Frage: "Und warum hängt die Frau dann hier?" Diese Frage ist auch völlig berechtigt, weil diese Portraits keine Aussage haben, es sind keine Fotografien im künstlerischen Sinn. Sie zeigen einfach eine Frau.

Nimmst du z.B. ein Foto von Avedon, Lindbergh, Newton, Ellen von Unwerth ... und hängst es auf, so fragt dich niemand, ob das deine Freundin auf dem Bild ist. Beim Betrachten wird schon klar, hier handelt es sich um ein Bildwerk, es geht um Stimmung um Narration und auch um Schönheit, aber nicht nur.

Im Grunde macht das für mich ein "schönes" Bild aus.
1 year ago
Marcello Rubini
Wie soll der aussehen bei einem interessanten Bild?


Ich habe, ausgelöst durch den Thread hier, einige Kommentare erhalten. Zum Beispiel auch von dir. Du schreibst unter anderem:

... Ein witziges Foto, wie ich finde. Die Verkettung der Handgelenke verstehe ich im Bildzusammenhang allerdings noch nicht ...


Damit kann ich was anfangen. Also mit dem vollständigen Kommentar. Ich zitiere hier nur einen Teil. Eben weil ich dir hier Recht gebe. Die Handfessel tut nichts fürs Bild. Das Bild käme auch ohne aus und würde nicht fehlen. Vielleicht wäre es sogar stimmiger.

Aber so wie Araki oft einen kleinen Dino im Bild hat, so brauche ich immer ein SM-Utensil im Bild um zufrieden zu sein. Das ist eine persönliche Marotte. Oder positiver gesagt mein Fetisch. :-)

Ein anderes Beispiel:

... und das Model auch in guter Lichtwirkung zur Geltung gebracht ! Insgesamt ein nahezu perfekter Gesamteindruck bis auf den Heidschnuckenschädel, aber das ist Geschmackssache.


Der Schreiber konnte mit dem Tierschädel nichts anfangen. Für mich war der aber wichtig. Das Bild enthielt eine brav anmutende Frau, eine Kerze ... die ganze Szene würde mir zu sehr in Richtung: Candle-Light-Dinner abgleiten, ohne einen Kontrast. Der Kontrast war das tote Tier. Ein Vanitas-Motiv.

Der Schreiber, aber hätte darauf wohl gern verzichtet. Vielleicht weil er den Kontrast: Leben, Idylle versus Tod nicht mag. Das wäre okay für mich. Vielleicht aber auch, weil ich das Vanitas-Motiv nicht wirklich gut platziert habe, dann müsste ich es in Zukunft anders machen damit ich besser verstanden werde.

Beide Beiträge finde ich gut.
1 year ago
Früher sagte man "Das gehört sich und das gehört sich nicht". Da war ein Konsens kulturell überliefert.

Und hat sich ständig wieder geändert. Auch vor Jahrhunderten und Jahrtausenden schon. Davon mal ganz abgesehen, daß sich damals wie heute im einen Kulturraum etwas "gehört", daß in einem anderen Tabu ist - und umgekehrt.
1 year ago
Im übrigen bin ich der Meinung, dass es viele Gestaltungsregeln gibt, die zeitlos sind.

Vor allem die Regeln der Zentralperspektive... ;-) (Kleiner Scherz.)
1 year ago
Ein konkretes Beispiel. In der Agentur sagte mein damaliger Chef immer, begründe eine Farbwahl nicht mit: "Weil ich das schön finde, jeder findet etwas anderes schön. Sag ich nehme Blau, weil Blau als fortschrittlich wahrgenommen wird."

Was voraussetzt, daß in der Zielgruppe Blau tatsächlich mehrheitlich als fortschrittlich wahrgenommen wird. Das trifft aber weder für alle Zielgruppen noch für alle Zeiten zu.
Wenn ich einen schwarzen Hintergrund habe, lassen sich manche Schriftfarben schlecht lesen. Diese sind dann "falsch" bezogen auf den Hintergrund. So sehe ich richtig und falsch.

Das ist jedenfalls arg unpraktisch, wenn es um die Lesbarkeit geht. Wenn ich möglichst gute Lesbarkeit erreichen will und ich verwende ein Design, das schlecht lesbar ist, dann habe ich im Hinblick auf dieses Kriterium etwas falsch gemacht.

Ich lasse mich beim fotografieren auch in erster Linie von meinen Ideen und Bedürfnissen leiten … ABER … ich habe mich auch intensiv mit Gestaltungstheorien und Fotografie beschäftigt. Von Susan Sontag bis Stephen Shore.

Dagegen ist auch nichts zu sagen, weil es einem selbst dabei hilft, zu verstehen, warum man selbst etwas gut oder nicht so gut findet. (Bei Susan Sontag stört mich, daß ich immer den Eindruck habe, daß sie etwas von der Fotografie verlangt, das diese weder leisten kann noch leisten soll, und deshalb dann sauer auf die Fotografie ist, weil sie sich von dieser enttäuscht fühlt.)
1 year ago
Filmemacher sind da einen Schritt weiter. Niemand sieht einen Film wegen seiner handwerklichen Präzision, dem guten Stereoton, den Schnitten, usw an. Es ist zwar so, dass ein schlecht produzierter Film den Spaß daran trübt, aber ansehen tut man einen Film wegen der Story. Sie ist das worum alles kreist.

Es gibt - vor allem französische - Filme, die kaum eine Story haben, sondern einfach nur wunderbare Bilder. Da tritt die Story stark in den Hintergrund. (Ich bezeichne das immer als "Filme, in denen man einfach ein paar Leuten eine kurze Zeit lang beim Leben zuguckt". Die machen mir meistens mehr Spaß als Filme, die eine verquaste Story haben.)
@ M-Zyks

Zudem würde ich mir ein solches Portrait niemals in die Wohnung hängen, weil ich dann ständig gefragt würde: "Ist das deine Freundin?" Wenn ich dann mit Nein antworte, käme die Frage: "Und warum hängt die Frau dann hier?" Diese Frage ist auch völlig berechtigt, weil diese Portraits keine Aussage haben, es sind keine Fotografien im künstlerischen Sinn. Sie zeigen einfach eine Frau.

Nimmst du z.B. ein Foto von Avedon, Lindbergh, Newton, Ellen von Unwerth ... und hängst es auf, so fragt dich niemand, ob das deine Freundin auf dem Bild ist. Beim Betrachten wird schon klar, hier handelt es sich um ein Bildwerk, es geht um Stimmung um Narration und auch um Schönheit, aber nicht nur.


Newton, Lindbergh, von Unwerth und noch ein Dutzend Fotografen haben Monica Bellucci fotografiert und in einem gemeinsamen Bildband veröffentlicht.
Nun war ich vor 37 Jahren auch in Perugia, als Monica Bellucci dort Studentin war. Wenn ich sie dort genau binnen dieser 5 Tage als Kommilitonin kennengelernt und dann fotografiert hätte, könnte ich ein Quadrofolio aus 4 Bildern an die Wand hängen :
Ob nun hierzulande jeder Monica Bellucci erkennt, ist schon mal fraglich - und ja, am Bildstil wird Newton's Werk sicher von meinem zu unterscheiden sein.
Ah, ein Lindbergh - und wow, ein Newton - da schau, das könnte von Unwerth sein ... schließlich fällt der Blick der Betrachter auf meine Aufnahme : oh, nochmal diese tolle Schönheit, aber irgendwie ein Schnappschuß ... muß aber wohl auch ein bekannter Fotograf sein !?

Denn so wie FrankZa schrieb :

Dann gibt es aber vermutlich auch Fotografen, die sich darüber freuen, das sie es geschafft haben ein "angesagtes" oder besonders hübsches Model zu fotografieren. Wie dieses Model auf dem Bild wirkt ist für sie zweitrangig. 
könnte auch ich gehandelt haben, als ich meine Aufnahme als vierte hinzufügte.

Tatsächlich habe ich schon 4 andere Poster von einem meiner Stammodels, und wenn ich mit diesen Bildern die Diele dekoriere, dann muß ich Fragen dazu beantworten ? Dann lasse ich noch 3 Poster erstellen mit 2 weiteren Models und einer Kollegin - werde ich dann gefragt, ob ich 4 Partnerinnen habe ?
Und wieso sollen diese 4 Aufnahmen keine Aussage haben, keine Werke im künstlerischen Sinne sein ? Wer befindet darüber ? Zur Schönheit, Stimmung, Narration : Die Retroszene frei von Schönheit, das Portrait ohne Stimmung, Mutter mit Kind ohne Narration ? Schönheit ist Geschmackssache, was das Portrait emotional besagt ist unbeweisbar, und die Geschichte hinter dem Beziehungsbild bleibt doch unerzählt - und alle Wahrnehmungen des Betrachters bleiben subjektiv !
Warum willst Du am Sinn und Wert Deiner Bilder zweifeln ? Du hast die Bilder so gemacht; Du freust Dich, Dein Model freut sich, und auch wenigstens ein Teil der Betrachter lobt und schätzt diese ... was gibt es da zu zweifeln ??

Nun zu den Fußketten und zum Heidschnuckenschädel :
Erst mal vielen Dank, daß mein Kommentar Dir zusagte ! Die Gefangene als "Neuzugang" für den Harem war für mich sofort verständlich, den Tierschädel hätte ich auch dann, wenn er wie früher die Wildgeweihe oder ausgestopfte Tierköpfe an den Wänden in einem Wilderergasthof, Jagdschänke oder Hubertusstube hingen, nicht in diesen Zusammenhang gebracht.
Wären da 2 Tierschädel und je eine Kerze dazu, dann hätte ich es eher mit Trauer und Gedenken assoziiert - oder aber erst recht fehlinterpretiert und sie als "neue Jägerin" betrachtet.
Durch Deine Erläuterung ist mir der Sinn des Tierschädels nun aber auch verständlich, auch wenn ich für die Thematik "Leben & Tod" wohl eine völlig andere Gestaltung gewählt hätte. Vielleicht eine Szene mit Friedhof/Grabstein oder eine Portraitserie von glücklich bis traurig, etwa mit plötzlichem Tränenausbruch beim Lesen einer Todesanzeige in der Zeitung.

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