Gibt es Grenzen in der Fotografie ... 188

11.02.2011
Original von Frank Becker
[quote]Original von TomRohwer - amtlich anerkannter Forums-Tsunami
[quote]Original von all eyes...
Nö, gibt keine Grenzen, manche Fotografinnen lichten sogar ihre toten Männer (auch Fotograf) ab und verkaufen die Fotos....

Man kann alles machen, wenn es gut ist. [IMG]

Der Tod gehört zum Leben dazu, und deshalb ist es völlig in Ordnung, den Tod zu fotografieren.[/quote]

Richtig, solange nicht FÜR das FOTO getötet wird ...[/quote]

Für folgendes Foto hat der Fotograf selbst nicht getötet (bei uns wäre es unterlassene Hilfeleistung gewesen). Und dennoch hat es ihn selbst das Leben gekostet, weil er nicht mit den Schuldgefühlen leben konnte / wollte.

http://allahuakbar.al.funpic.de/upload/menschen/kevincarter%20klein.jpg
11.02.2011
Hart - echt hart... manchmal genügt ein Bild um sich vor Augen zu führen welche
"Luxussorgen" man eigentlich hat.


Original von Shy-Lee

Für folgendes Foto hat der Fotograf selbst nicht getötet (bei uns wäre es unterlassene Hilfeleistung gewesen). Und dennoch hat es ihn selbst das Leben gekostet, weil er nicht mit den Schuldgefühlen leben konnte / wollte.

http://allahuakbar.al.funpic.de/upload/menschen/kevincarter%20klein.jpg
11.02.2011
Original von Shy-Lee
Für folgendes Foto hat der Fotograf selbst nicht getötet (bei uns wäre es unterlassene Hilfeleistung gewesen). Und dennoch hat es ihn selbst das Leben gekostet, weil er nicht mit den Schuldgefühlen leben konnte / wollte.

http://allahuakbar.al.funpic.de/upload/menschen/kevincarter%20klein.jpg

Wenn bei uns so viele Menschen hungern würde wie bestimmten Ländern der 3.Welt, dann wäre es auch hier keine "unterlassene Hilfeleistung", wenn man nicht jedem von ihnen hilft... Weil es nämlich schlicht nicht möglich ist, ihnen "einfach so" zu helfen.

Was willst Du in so einer Situation machen? Dem Kind zu essen geben - geht nicht, in dem Zustand. Das Kind ins nächste Krankenhaus bringen? Selbst wenn es ein solches gäbe, würden 10 andere verhungern, während Du das elfte ins Krankenhaus bringst. (Davon mal ganz abgesehen, daß Hunger speziell in Afrika regelmäßig als Waffe in kriegerischen Auseinandersetzungen eingesetzt wird, und Du meistens gar nicht lebend ins nächste Krankenhaus kämest, weil die, die den Hunger als Waffe einsetzen, Dich daran hindern würden...)

Dieses Problem ist mit "Erste Welt-Maßstäben" akut vor Ort nicht lösbar, in der Praxis.

Eines aber kann man machen: es fotografieren. Und der Welt davon berichten.

Auch das ändert erstmal herzlich wenig, nämlich gar nichts.

Nur: wenn's solche Bilder nicht gäbe, wüsste niemand von uns, daß dort und wie dort gehungert wird.

Für Reporter gilt ansonsten exakt dasselbe wie für Mitarbeiter von Hilfsorganisationen: es hilft niemanden, wenn jemand "Oh Gott, wie furchtbar!" rufend durch's Flüchtlingslager läuft, wie mir mal jemand von der UNHCR sarkastisch sagte. Es hilft dagegen sehr, wenn jeder in so einer Situation einfach seinen verdammten Job macht, und das möglichst gut.

Leicht ist's nicht. Aber das beste, das man tun kann.
11.02.2011
@Tom: Weißt du, wie oft ich diese Aussage "Es gibt zu viele, man kann nicht allen helfen" im Tierschutz immer zu hören bekomme?

Ja, es ist wahr. Es sind einfach zu viele, um allen zu helfen. Und es würde auch einen Jeden an die Grenzen des Unmachbaren stoßen lassen.

Aber dazu gibt es die Geschichte eines Seesterns:

"Ein furchtbarer Sturm kam auf. Der Orkan tobte. Das Meer wurde aufgewühlt und meterhohe Wellen brachen sich ohrenbetäubend laut am Strand.

Nachdem das Unwetter langsam nachließ, klarte der Himmel wieder auf. Am Strand lagen aber unzählige von Seesternen, die von der Strömung an den Strand geworfen waren.

Ein kleiner Junge lief am Strand entlang, nahm behutsam Seestern für Seestern in die Hand und warf sie zurück ins Meer.

Da kam ein Mann vorbei. Er ging zu dem Jungen und sagte: "Du dummer Junge! Was du da machst ist vollkommen sinnlos. Siehst du nicht, dass der ganze Strand voll von Seesternen ist? Die kannst du nie alle zurück ins Meer werfen! Was du da tust, ändert nicht das Geringste!"

Der Junge schaute den Mann einen Moment lang an. Dann ging er zu dem nächsten Seestern, hob ihn behutsam vom Boden auf und warf ihn ins Meer. Zu dem Mann sagte er: "Für ihn wird es etwas ändern!"

Dieses Mädchen war ungefähr 300 Meter nur von seinem Ziel (einer Krankenstation) entfernt.
Für sie hätte es ganz sicher etwas geändert.

Zudem gab es mal einen Artikel zu lesen, in dem der Fotograf geäußert haben soll, dass er eigentlich nur darauf wartete, dass der Vogel seine Flügel spreizen würde, weil es einfach DAS Bild gewesen wäre (er hat sich natürlich in anderen Worten gefasst, nur leider finde ich diesen Artikel nicht mehr).

Warum dieses Foto aber so populär geworden ist, könnt ihr hier nachlesen:


http://nibis.ni.schule.de/nli1/bibl/publikationen/kriege1.html
12.02.2011
Original von Shy-Lee
@Tom: Weißt du, wie oft ich diese Aussage "Es gibt zu viele, man kann nicht allen helfen" im Tierschutz immer zu hören bekomme?
Und diese Aussage ist leider auch richtig.

Man kann nicht jedem helfen ... egal ob im Tierschutz oder im tiefsten Afrike. Tom hat das schon richtig festgestellt, Du rettest einen und dafür sterben 10 weitere. Du schaffst es ja nicht einmal in Deutschland wirklich jedem zu helfen, 15 Jahre Einsatz im Rettungsdienst zeigen das einem sehr gut.

Das erinnert mich an einen Einsatz irgendwann einmal kurz vor Weihnachten. Die Alarmmeldung lautete "Patient an Tankstelle geht es nicht gut" ... Fakt ist, wir konnten uns bei unserem Eintreffen noch mit ihm mehr oder weniger gut Verständigen und im Auto wurde er dann reanimationspflichtig. Ins Krankenhaus ist er nur deswegen gekommen, weil wir ihn bereits im Auto liegen hatten ... Überlebt hatte er es damals nicht, ich glaube er hat nicht einmal den Schockraum der Intensivstation verlassen ...

Es wäre schön, wenn man immer und jedem helfen kann, abr irgendwo sind uns halt auch Grenzen gesetzt, und diese immer in Frage zustellen ist zwar eine löbliche Einstellung wird aber ausser sehr viel Frust langfristig leider nur wenig bringen. Begründungen hat Tom ja schon gegegen ...

Und um auf die Frage des TO zurückzukommen ... Ja es gibt Grenzen ind er Fotografie, wobei wir die sogar noch teilen müssen.
  • Zum einen haben wir die technischen Grenzen der jeweiligen Kamera ... wenn die nicht mehr will (oder kann), ist die Grenze für diese Konstellation Kamera - Fotograf erreicht
  • Zum anderen haben wir die moralische Grenze ... die zieht jeder für sich höchstpersönlich. Diese Grenze wird sicherlich niemals jedem gefallen. Reporter ziehen die Grenze für sich deutlich später als Menschen mit Familien.
Für mich gilt daher folgendes:

Solange sich ein Fotograf mit seiner Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten bewegt, muss mir seine Art der Fotografie nicht gefallen und ich muss sie auch nicht gutheißen, aber zumindest macht er sich damit auch keiner strafrechtlich relevanten Tätigkeit schuldig.
12.02.2011
Original von Tobias Voss
[quote]Original von Shy-Lee
@Tom: Weißt du, wie oft ich diese Aussage "Es gibt zu viele, man kann nicht allen helfen" im Tierschutz immer zu hören bekomme?
Und diese Aussage ist leider auch richtig.

Man kann nicht jedem helfen ... egal ob im Tierschutz oder im tiefsten Afrike. Tom hat das schon richtig festgestellt, Du rettest einen und dafür sterben 10 weitere. Du schaffst es ja nicht einmal in Deutschland wirklich jedem zu helfen, 15 Jahre Einsatz im Rettungsdienst zeigen das einem sehr gut.[/quote]
Es geht ja leider noch weiter - damit fängt das Problem eigentlich erst an.

Nahrungsmittelhilfe für Hungernde - rettet Leben.

Kurzfristig.

Längerfristig zerstört die Nahrungsmittelhilfe für die Hungernden in Afrika leider die dortige Landwirtschaft - die Bauern können ihre Produkte nicht mehr verkaufen, weil kostenlose Nahrungsmittel aus der "Ersten Welt" den Markt kaputt machen. Die Bauern können kein Saatgut mehr kaufen, die Ernte geht zurück, der Hunger wird mehr, es braucht mehr Nahrungsmittelhilfe aus der "Ersten Welt", und der Kreislauf geht von neuem los...

Auf diese Weise hat die gutgemeinte Nahrungsmittelhilfe der letzten 25 Jahre die Nahrungsmittelproduktion in Afrika stärker ruiniert als alle andere.

Entwicklungshilfe stabilisiert meistens die örtlichen korrupten Regime, die wiederum das Grundübel und die Grundursache aller Probleme sind.

Wer schon mal in Afrika war (und damit meine ich jetzt nicht die Touristenresorts in Kenia o.ä.) und sich vor Ort mal mit europäischen Entwicklungshelfern und Menschen aus dem einheimischen Mittelstand unterhalten hat, der erkennt schnell, daß "Wie helfe ich dem einen verhungernden Kind, das ich auf der Straße sehe" nicht die Frage ist. Und darüber leider auch nicht die Probleme von Dritte-Welt-Ländern gelöst werden können.

Und um auf die Frage des TO zurückzukommen ... Ja es gibt Grenzen ind er Fotografie, wobei wir die sogar noch teilen müssen.
  • Zum einen haben wir die technischen Grenzen der jeweiligen Kamera ... wenn die nicht mehr will (oder kann), ist die Grenze für diese Konstellation Kamera - Fotograf erreicht
  • Zum anderen haben wir die moralische Grenze ... die zieht jeder für sich höchstpersönlich. Diese Grenze wird sicherlich niemals jedem gefallen. Reporter ziehen die Grenze für sich deutlich später als Menschen mit Familien.
Für mich gilt daher folgendes:

Solange sich ein Fotograf mit seiner Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten bewegt, muss mir seine Art der Fotografie nicht gefallen und ich muss sie auch nicht gutheißen, aber zumindest macht er sich damit auch keiner strafrechtlich relevanten Tätigkeit schuldig.

Kann ich so unterschreiben.

Wobei auch Reporter meistens Familien haben... ;-)

Ich versuche es mit dem schönen Satz von Eugene W.Smith zu halten, dem legendären LIFE-Fotografen, der im 2.Weltkrieg seine Karriere als Kriegsberichterstatter begann und später mit der Aufdeckung des "Minamata-Skandals" in Japan (wo ein Chemieunternehmen wissentlich eine ganze Stadt mit Quecksilber vergiftet hatte, wodurch hunderte schwerstbehinderter Kinder geboren wurden und viele Menschen elendig starben) berühmt wurde.

Als Eugene W. Smith von einem leitenden LIFE-Redakteur vorgehalten wurde, er möge sich bitte daran erinnern, daß er eine gewisse Verpflichtung gegenüber dem Magazin habe, antwortete er: "Als Bildjournalist habe ich nur zwei Verpflichtungen. Eine gegenüber den Menschen, für die ich berichte, und eine gegenüber den Menschen gegenüber, über die ich berichte. Wenn ich diese beiden Verpflichtungen erfülle, erfülle ich auch meine Verpflichtung gegenüber dem Verlag."

Nicht nur in Krisen- und Kriegsgebieten, sondern auch bei größeren Katastrophenlagen hier bei uns kennt man den Begriff der "Triage".

Triage ist etwas, das zunächst unglaublich brutal und moralisch verwerflich erscheint. Triage bedeutet: die Verletzten werden in drei Gruppen eingeteilt.

Gruppe 1: ist so leicht verletzt, daß sie erstmal auf Hilfe warten kann. Auch wenn die Menschen Schmerzen haben, egal, solange sie mit ihren Verletzungen ohne Hilfe überleben und die Schmerzen eine Zeitlang ertragen können, werden sie erstmal gar nicht versorgt.

Gruppe 2: ist so schwer verletzt, daß eine mediziniscche Versorgung entweder sinnlos ist, weil diese Menschen später doch sterben, oder weil sie zwar gerettet werden könnten, ihre Versorgung aber zuviele Kapazitäten binden würden, die anderswo gebraucht werden. Diese Gruppe wird ebenfalls nicht versorgt, ausgenommen bei Bedarf mit schmerzstillenden Mitteln.

Gruppe 3: ist so verletzt, daß eine sofortige medizinische Versorgung nötig ist, aber auch eine hohe Überlebenswahrscheinlichkeit besteht. Diese Gruppe wird mit vollem Programm medizinisch versorgt.

Auf diese Weise stellt man sicher, daß die Zahl der Toten am Ende dann möglichst gering ist. Das bedeutet aber auch, daß Rettungskräfte und Ärzte sagen: "Dieser Mensch hier wird sterben müssen - wir können ihm nicht helfen, weil wir ihm nicht helfen dürfen, weil wenn wir ihm helfen würden, gehen uns zwei andere dafür über den Jordan."

Bitter, nicht?

Aber auch sehr - menschlich. Weil es sich eiskalt rational einem schrecklichem Problem stellt und die bestmögliche Lösung dafür zu finden versucht.

Wer 1992, 93, 94, 95 nach Sarajevo ging, der musste sich entscheiden: versorge ich Verwundete, oder berichte ich der Welt über das, was dort passiert? Einer Welt, die's nicht hören will und bewusst wegschaut. Beides gleichzeitig kann ich nicht tun. Ich muß abwägen, was für mich wichtiger ist.

Als Sanitäter bin ich eine ziemliche Katastrophe. (Auch wenn ich, ganz bewusst, ein paar Dinge mehr dazu gelernt habe, als die meisten anderen Leute. Aber das machte ich vor allem aus Eigeninteresse.) Als Journalist bin ich ... jedenfalls besser als denn als Sanitäter.

Daß ich einem Schwerverletzten, der mir direkt vor die Füße fällt, trotzdem zu helfen versuche: das ist klar. Die Frage stellt sich auch gar nicht. Nicht in der "Praxis". Aber wenn eine Granate auf dem Marktplatz einschlägt, dann kann ich entweder mithelfen, ein Behelfslazarett zu organsieren, oder ich kann das Geschehen fotografieren, um der Welt davon zu berichten. Beides zusammen - geht nicht.

Wenn ich über einen Verkehrsunfall hinzukomme, und es sind noch keine Rettungskräfte da, dann helfe ich zunächst mal, wenn Hilfe nötig ist, den Verletzten. Und rufe die Rettungskräfte. Gleichzeitig fange ich an zu fotografieren - ja, das geht, durchaus, das ist nämlich mein verdammter Job, und zu dem gehört auch, auch in Stress-Situationen drei Dinge gleichzeitig machen zu können. Sind die Rettungskräfte dann da, kann ich mich endgültig meiner Arbeit widmen. Meiner Arbeit.

Dafür gibt es keine "allgemeingültigen Regeln". Man kann immer und überall auf der Welt auf ein Einzelschicksal stoßen, von dem man sich persönlich angesprochen fühlt.

Ein klitzekleines, vielleicht leicht albern klingendes Beispiel aus eigenem Erleben:

Im letzten Frühjahr hab ich Sonntagabend gerade Brathähnchen und Pommes vom "Kochlöffel" geholt, als mir auf dem Weg von der Garage zur Wohnung ein winziges Vögelchen vor die Füße hüft und fiept. Aus dem Nest gefallen...

Och jööö...

Ich bin fest davon überzeugt, daß Fressen und Gefressen werden zur Natur gehört. Auch Katzen wollen leben, und nicht nur von Whiskas. Daß Vögel aus dem Nest fallen, ist von der Natur so vorgesehen, das muß so sein, das ist unverzichtbare Auslese.

Und deshalb geht es mir völlig am Arsch vorbei, daß jedes Jahr so und so viele Singvögel-Küken aus dem Nest kippen, von Katzen gefressen werden oder sonst wie den Weg der natürlichen Auslese gehen.

Es ist aber eine vollkommen andere Nummer, wenn mir persönlich ein kleines Vogelküken vor die Füße fällt und mich hungrig und verzweifelt anfiept. Da entsteht eine ... ja... "persönliche Zuständigkeit".

Also haben wir das Essen kalt werden lassen, eine Stunde in der Gegend rumtelefoniert, das Viech in einem Pappkarton ein warmes Nest gebaut, und schließlich 20 Euro Futterspende gemacht, damit so eine Vogelschutz-Tante das Tierchen an sich nimmt und hochpäppelt.

Und das alles für eine schlichte, banale Amsel.

[IMG]

Wär die 6 Meter weiter aus dem Nest gekippt, hätte sie Nachbars Muschi verputzt.

Auch nicht schlimm. Auch völlig ok.

Aber wer mir direkt vor die Füße fällt, der hat halt großes Glück. Aber deshalb käme ich nie und nimmer auf die Idee, nun jeden Tag durch die Botanik zu rennen, um nachzugucken, ob da irgendwo aus dem Nest gefallene Vögelchen sind, die dringend Hilfe brauchen. Sollen die Viecher halt besser aufpassen...
[gone] Abgemeldet
12.02.2011
Zurück zum Thema: Eine klare juristische Grenze der Fotografie ist ja das Persönlichkeitsrecht (Inhalt des KUG).

Es heißt, das KUG sei im Jahr 1907 eingeführt worden, nachdem Fotografen den 1898 verstorbenen Otto von Bismarck heimlich auf seinem Sterbebett fotografiert und die Bilder in Umlauf gebracht hatten.

Dies war wohl das erste krasse Paparazzi-Foto der Geschichte. (hab glaub ich einen Bildband in dem es ist - vielleicht findet es jemand im Web?).



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Vielleicht eines der größten Tabus heute ist glaub ich fotografieren in Altenheimen. Es wäre sicher wichtig zu veröffentlichen unter welchen Bedingungen in diesem Wohlstandsland am häufigsten gestorben wird. So etwas ist sicher noch mehr tabu als grausamste Fotos über Krieg und Elend in anderen Teilen der Welt.

Es wäre sicher möglich, auch ohne Verletzung der Persönlichkeitsrechte (durch Blickwinkel, selektive Schärfe) alter Heimbewohner, ihre Lebensbedingungen in Heimen zu zeigen.
Mit Himweis auf Schutz pflegebedürtiger Heimbewohner wird dies sicher von Heimleitungen verweigert.

Dieses Thema taucht in den Medien höchstens auf wenn es um Prozesse geht in denen Altenpflege Mitarbeitern vor Gericht Tötungsdelikten (Sterbehilfe, Verabreichung tötlicher Dosen) angeklagt sind.

Jedes Land auf der Welt möchte sein eigenes Elend nicht vor Augen geführt bekommen - Bilder vom Elend auf anderen Erdteilen sind dagegen unproblematisch wenn sie hier in Medien veröffentlicht werden.
12.02.2011
Es geht doch nicht darum, das Elend in Afrika oder sonstwo in der Welt zu beseitigen.

Aber es wäre doch kein Problem gewesen, nachdem der Fotograf auf den Auslöser gedrückt hat (somit war das Foto ja dann schonmal im Kasten), sich das Kind zu schnappen und die 300 Meter bis in die Krankenstation zu tragen.
Ob es überlebt hätte, sei mal dahin gestellt. Aber zumindest hätte er es versuchen können.
Und anscheinend hatte er sich dieses Szenario auch noch öfter durch den Kopf gehen lassen, denn sonst hätte er keinen Selbstmord begehen müssen.
Und vielleicht hätte er neben dem Pulitzerpreis noch eine andere Auszeichnung für sein (über)menschliches Verhalten bekommen.

@Tobias: Aber das ist wieder eine ganz andere Situation, die du beschreibst. Man kann nicht jedem helfen, das stimmt wohl.
Aber einen Versuch ist es wert.

Ich möcht nicht wissen, wie viel größer das Elend auf der Welt wäre, wenn jeder denken würde "Man kann eh nicht allen helfen" und dieses dann als Anlass nehmen würde, um die Hände in den Schoß zu legen und wegzusehen.
12.02.2011
Original von TomRohwer
Wer 1992, 93, 94, 95 nach Sarajevo ging, der musste sich entscheiden: versorge ich Verwundete, oder berichte ich der Welt über das, was dort passiert? Einer Welt, die's nicht hören will und bewusst wegschaut. Beides gleichzeitig kann ich nicht tun. Ich muß abwägen, was für mich wichtiger ist.


Zumal das eigene Überleben z.B. auf der Sniper-Alley mit durchaus realen Problemen versehen war ... da entlang fahren zu müssen war das Eine ... da noch helfen zu können steht auf einem ganz anderen Blatt.

Der Vergleich zur Triage ist gar nicht so abwegig - die Grenze ist das, was vor dem eigenen Gewissen noch vertretbar ist. Und die Triage ist eine sehr rationale Entscheidung, die an die Grenzen des eigenen Gewissens führen kann ...
[gone] User_6449
12.02.2011
@ Ufuk * Natural black and white art photography*

Gibt es Grenzen in der Fotografie ... oder findet sich für jede Aufnahme eine Berechtigung?


Ich habe mir den ganzen Unfug im Thread nicht durchgelesen, aber meine Antworten sind:

- Ja, es giibt es Grenzen in der Fotografie technischer Art ...

- Ja, es findet sich nicht für jede Aufnahme eine Berechtigung ...


Also zweimal ja, obwohl Du auf die zweite Frage gern ein "Nein" gehabt hättest ... ;-)

Viele Grüße
Peter
13.02.2011
Original von Dorfstudio
Zurück zum Thema: Eine klare juristische Grenze der Fotografie ist ja das Persönlichkeitsrecht (Inhalt des KUG).

Es heißt, das KUG sei im Jahr 1907 eingeführt worden, nachdem Fotografen den 1898 verstorbenen Otto von Bismarck heimlich auf seinem Sterbebett fotografiert und die Bilder in Umlauf gebracht hatten.

Dies war wohl das erste krasse Paparazzi-Foto der Geschichte. (hab glaub ich einen Bildband in dem es ist - vielleicht findet es jemand im Web?).

Und ein völlig berechtigtes Foto...;-)


Vielleicht eines der größten Tabus heute ist glaub ich fotografieren in Altenheimen. Es wäre sicher wichtig zu veröffentlichen unter welchen Bedingungen in diesem Wohlstandsland am häufigsten gestorben wird. So etwas ist sicher noch mehr tabu als grausamste Fotos über Krieg und Elend in anderen Teilen der Welt.

Nicht nur ist das Thema... tabuisiert, oder jedenfalls will's kaum einer so genau wissen, es ist auch vergleichsweise schwierig, in Altenheimen zu fotografieren. Die Heimleitungen möchten ungern, daß Mißstände publik werden, die Angehörigen möchten ungern, daß bekannt wird, wohin sie ihre Eltern oder Großeltern abgeschoben haben.

Es wäre sicher möglich, auch ohne Verletzung der Persönlichkeitsrechte (durch Blickwinkel, selektive Schärfe) alter Heimbewohner, ihre Lebensbedingungen in Heimen zu zeigen.

Ich kann das Leben von Menschen in Alten/Pflegeheimen nicht fotografisch zeigen, ohne diese Menschen zu zeigen. Es gilt nicht nur "Namen sind Nachrichten", es gilt vor allem auch "Gesichter sind Nachrichten". Gesichter erzählen eine Story.

Die Heime selbst haben auch einen durchaus guten Grund, ihre Bewohner vor allzu neugierigen Fotografen zu schützen. Ein Fotograf dringt zwangsläufig in die Intimsphäre der Bewohner ein - wir würden uns ja auch nicht einfach zu Hause im Schlafzimmer fotografieren lassen, nur weil jemand "das Leben der Deutschen" zeigen will. Und schon gar nicht bei intimen Verrichtungen wie Waschen usw. usf.

Und last but not least: viele Menschen, die in Alten- und Pflegeheimen leben, wären auch erstmal ein bißchen überfordert, es wirklich zu verstehen und beurteilen und entscheiden zu können "Was ist das da eigentlich? Was macht der da? Was will der da? Was wird das eigentlich?"

Damit will ich nicht sagen, daß die meisten Bewohner nicht mehr zurechnungsfähig wären - aber sie leben in den meisten Fällen nun mal eben nicht zufällig in einem Heim, sondern weil sie nicht mehr allein für sich selbst sorgen können, und das betrifft oft auch das wirkliche Begreifen der eigenen Umgebung.

Und gerade das Schicksal dieser Menschen ist es, das oft so erschütternd ist. Der rüstige Senior, der mit seiner Gattin in die Seniorenresidenz zieht, weil er keine Lust mehr hat, sich selbst um alles in Haus und Haushalt zu kümmern, und die Seniorenresidenz wie der Dauergast eines Hotelbetriebs nutzt ... dem geht's gut. Der ist nicht der interessante Problemfall für die Sozialreportage.

Insofern unter vielen Aspekten schwierig, anspruchsvoll - aber unbestreitbar wichtig und interessant.
13.02.2011
Original von Shy-Lee
Es geht doch nicht darum, das Elend in Afrika oder sonstwo in der Welt zu beseitigen.

Aber es wäre doch kein Problem gewesen, nachdem der Fotograf auf den Auslöser gedrückt hat (somit war das Foto ja dann schonmal im Kasten), sich das Kind zu schnappen und die 300 Meter bis in die Krankenstation zu tragen.
Ob es überlebt hätte, sei mal dahin gestellt. Aber zumindest hätte er es versuchen können.

Laß es mich mal ganz zynisch sagen:

Wer schon mal in einem afrikanischen Flüchtlingslager war, der weiß, daß da nicht ein Kind verhungert irgendwo rumsitzt oder liegt, sondern 500 oder 1000.

Und wenn Du das in die Krankenstation trägst, dann stehen da schon 500 andere in der Schlange, oder liegen vor der Tür, und die Mitarbeiter sagen Dir "Leg es da hinten zu den anderen"...

(Zitat aus dem von Dir verlinkten Text: "Carter half dem Kind nicht, weil es, wie er sagte, Tausende von ihnen gab".)

Bitter, aber so ist es nun mal. Wenn Du anfängst, in Flüchtlingslagern hungernde Kinder irgendwohin tragen zu wollen, dann bist Du für den Rest des Tages beschäftigt und verlässt das Lager zwei Wochen später - ohne Bilder, ohne Reportage.

Bitter, aber so ist es nun mal.


Und anscheinend hatte er sich dieses Szenario auch noch öfter durch den Kopf gehen lassen, denn sonst hätte er keinen Selbstmord begehen müssen.

Ich bezweifle stark, daß jemand - Fotograf oder anderer - allein wegen eines solchen Erlebnisses Suizid begeht.

Dazu gehört viel mehr, dazu gehört eine lange Konfrontation mit dem Elend und das Scheitern, damit umzugehen, oder auch eine Depression, oder alles zusammen.

Im Sommer 1999 machte ich in der kleinen Stadt Suva Reka im Kosovo dieses Foto:

[IMG]

Dazu muß man jetzt den Hintergrund kennen. In der Nacht vom 23. auf den 24.März 1999 erschienen Soldaten der "Tiger-Miliz" des Serbenführers "Arkan" in Suva Reka, trieben die albanischen Bewohner eines ganzen Straßenzuges zusammen, und erklärten den Menschen, daß sie in der folgenden Nacht allesamt getötet würden, wenn sie nicht binnen 24 Stunden 50.000 DM "Lösegeld" zahlen würden.

50.000 DM - das war 1999 für ein paar Dutzend Menschen in einem Nest im Kosovo ein Haufen Geld, aber die Kosovaren schafften es tatsächlich, diese Summe zusammenzubringen.

In der nächsten Nacht kamen "Arkans" Männer wieder, kassierten das Geld, trieben die Bewohner des Straßenzuges in einer kleinen Pizzeria zusammen, verammelten die Türen mit Holzbalken, schossen mehrere Minuten mit Kalaschnikows und Maschinengewehren durch die beiden großen Glasfenster in die Pizzeria, warfen Handgranaten hinein und zündeten schließlich das Gebäude, einen winzigen Flachbau, an und brannten es nieder.

Je nach Quellen wurden dabei etwa 40 bis 70 Menschen getötet, das kleinste Kind 2 Jahre, der älteste Mann soll 100 gewesen sein. Man weiß von den Details des Massakers, weil es tatsächlich einige wenige Überlebende gegeben hat...

Die Leichen wurden zunächst mit LKWs auf die Müllkippe von Suva Reka gebracht und dort abgekippt, zwei Tage später kam Order aus Belgrad, man möge die Leichen verschwinden lassen, die Sache war höherenorts dann wohl doch zu heiß, und man verbuddelte die Leichen auf einer Art Dorfanger in Suva Reka.

Als ich zum ersten Mal vor den Resten dieser Pizzeria stand, lag das Massaker über 3 Monate zurück. Das Gebäude war vollkommen ausgebrannt, und es hatte in der Zwischenzeit etliche Male geregnet.

Aber als ich direkt an die nicht mehr vorhandene Fensterfront trat, um zu fotografieren, da konnte es riechen.

Es roch - wie in einem Schlachthaus. Nach geronnenem Blut, Urin, Todesangst. Mehr als drei Monate später roch es dort immer noch wie in einem Schlachthaus.

Eine halbe Stunde später fuhr ich mit einem Presseoffizier der Bundeswehr zu der "Ausgrabungsstätte", wo gerade Gerichtsmediziner des Internationalen Kriegsverbrecher-Tribunals dabei waren, Opfer dieses Massakers zu exhumieren. Es waren ungefähr 35° C im Schatten, und als wir aus dem "Wolf" stiegen, lag über dem ganzen Gelände ein feiner, süßer Verwesungsgeruch. Glaub mir: dieser Geruch ist nicht annähernd so schlimm wie der Schlachthausgeruch am Schauplatz eines Massakers. Nicht annähernd...

Dabei entstand dieses Foto:

[IMG]

In dem Leichensack vorne links liegen Teile einer halbverwesten Leiche. Das muß man dazu wissen. (Man kann es in einer starken Vergrößerung erkennen.)

Ich schwöre: als ich dieses Foto gemacht habe, lagen dort nur Holzsärge, aber keine Leichensäcke. Ich weiß noch, daß ich beim Fotografieren dachte: eigentlich gar nicht so schlecht, daß "keine Leichen rumliegen" - mit den leeren rohgezimmerten Holzsärgen wirkt die Szenerie noch viel heftiger.

Ein paar Tage später flog ich nach Hause zurück. Mein Flieger aus Skopje landete spät abends in Hamburg, ich weiß noch, daß ich gegen 1 Uhr morgens schließlich zuhause war, mit einer Flasche Old Bushmills, die ich im Duty Free-Shop von Ljubljana gekauft hatte. Ich trank zwei Whiskys, erzählte meiner Liebsten (die während meiner Abwesenheit einen Autounfall gehabt hatte und mit Halskrause wegen HWS-Schleudertraume auf dem Sofa saß - ich zieh in den Krieg, und sie kommt zuhause fast zu Tode ! - absurd...) ein paar Bruchstücke von dem, was ich in den letzten zwei Wochen erlebt hatte, und dann gingen wir ins Bett.

Mitten in der Nacht wachte ich auf, weil ich träumte, daß ich aufgewacht wäre und sich plötzlich die Wände des Schlafzimmers mit Einschusslöchern überzogen, und ich dachte "das will ich jetzt nicht", und dann wachte ich auf, und für eine oder zwei Minuten waren die Wände wirklich voller Einschusslöcher.

Als ich am nächsten Tag meine Filme entwickelte, entdeckte ich auf den Negativen von der Exhumierung schwarze Flecken. (Schwarz im Negativ, also Weiß im Positiv...) Ich fragte mich zunächst "Was sind das für Flecken?", und dann sah ich unter dem Vergrößerer, daß es weiße Leichensäcke waren.

Wie gesagt: als ich die Fotos aufnahm, waren die nicht dort. Das kann ich schwören.

Ein paar Tage später ging ich durch die Stadt und kam an einem Werbeplakat für einen Friseur vorbei. Eine hübsche junge Frau auf dem Foto schaute den Betrachter direkt an, und wie es so ist, wenn jemand beim Fotografieren direkt in die Kamera geschaut hat, folgt dieser Blick dem Betrachter, egal in welche Richtung er sich bewegt.

Es lief mir plötzlich eiskalt über den Rücken - weil mich aus diesen beiden Frauenaugen auf dem Friseurplakat die eiskalte Mordlust ansah. Unbeschreiblich gruselig.

Das ist jetzt fast zwölf Jahre her, aber bis heute wache ich ein- oder zweimal im Jahr nachts auf, weil die Einschusslöcher in den Wänden wieder da sind. Ich habe schon ein paar Leichen in meinem Leben gesehen, Menschen, die nicht eines natürlichen Todes gestorben sind, aber von denen träume ich nie.

Es gibt ein wunderbares Buch über den Vietnamkrieg, "Dispatches" (deutsch: "An die Hölle verraten"), geschrieben von dem Reporter Michael Herr, der auf dem Höhepunkt des Krieges (u.a. während der Tet-Offensive 1968) anderthalb Jahre in Vietnam für "Rolling Stone" und "Esquire" Reportagen schrieb.

In diesem Buch schreibt Herr viel über Grauen und Faszination des Krieges, über Traumata und die Probleme, wieder nach Hause zu kommen nach solchen Erlebnissen. An einer Stelle beschreibt er, wie er ein Jahr nach seiner Rückkehr aus Vietnam zusammen mit einem Freund, der in Vietnam Front-Sanitäter gewesen war, und der immer noch bei voller Beleuchtung schläft, weil er nachts Angszustände bekommt, durch New York geht, und irgendwo an einer Straßenecke kommen sie an einem blinden Bettler vorbei.

Dieser blinde Bettler sitzt auf dem Gehweg, mit einem Pappschild vor sich, auf dem steht: "Meine Tage sind dunkler als Eure Nächte".

Woraufhin der Ex-Sani stehenbleibt, den Bettler anschaut und dann sagt: "Bloß nicht drauf schwören, Mann. Bloß nicht drauf schwören."

An einer anderen Stelle erzählt er von einem Korrespondenten der Londoner "Times" in Vietnam, der eines Abends an der Hotelbar sagt, seine Alpträume störten ihn bei weitem nicht so sehr wie der immer stärker werdende Drang, davon Berichte an seine Redaktion durchzugeben...



Warum ich Dir diese Geschichte erzähle?

Das hat einen einfachen Grund.

Solange Du nicht selber einmal in einer solchen Situation gewesen bist, solltest Du Dir jedes Urteil und jede Meinung darüber verkneifen, was wer wo wie in einem Kriegs-, Krisen- oder Katastrophengebiet tun sollte, müsste, könnte, würde....

Das meine ich jetzt nicht böse. Ich will damit nur sagen: wenn Du's noch nie selbst erlebt hast, hast Du nicht ansatzweise eine Ahnung, wovon Du redest. Kannst Du dann auch nicht haben, klar. Macht auch nichts. Aber bilde Dir einfach keine Meinung darüber. Du kannst es nicht.

Wer als Beobachter, Helfer, Soldat etc. in so einer Situation ist, der kann nur versuchen, in dieser Situation, vor Ort, damit klarzukommen. Mal schafft einer das besser, mal schlechter, aber am grünen Tisch zu Hause, am warmen Ofen, da kann man... eigentlich nur die Klappe halten und zuhören.

Manchmal gehört übrigens eine verdammte Menge Mut dazu, sich nicht von den spontanen emotionalen Reflexen leiten zu lassen, sondern kühl überlegt seinen Job zu machen - in einem übergeordneten Interesse. Als Feuerwehrmann (der nicht einfach in das brennende Gebäude reinrennt, obwohl da jämmerlich verbrennende Menschen schreien - weil das sehr dumm wäre), als Soldat, der seinen Auftrag erfüllt, obwohl neben ihm seine Kameraden verwundet werden oder fallen, als Reporter, der der Welt berichtet, anstatt selbst ein - und zumal herzlich unerheblicher - Teil der Story zu werden.


Und vielleicht hätte er neben dem Pulitzerpreis noch eine andere Auszeichnung für sein (über)menschliches Verhalten bekommen.

Leider gibt's dafür keine Preise.

Ich fänd's schön, wenn's solche gäbe.

@Tobias: Aber das ist wieder eine ganz andere Situation, die du beschreibst. Man kann nicht jedem helfen, das stimmt wohl.
Aber einen Versuch ist es wert.

Manchmal kann man gar nicht helfen. Manchmal ist anderes wichtiger. Du wüsstest nämlich gar nichts von all diesem Elend, wenn nicht Berichterstatter ihre Pflicht tun und berichten würden, anstatt sich den Helfern anzuschließen.

Ich weiß, das klingt zynisch, es ist sogar zynisch, aber so ist es nun mal.

Ich möcht nicht wissen, wie viel größer das Elend auf der Welt wäre, wenn jeder denken würde "Man kann eh nicht allen helfen" und dieses dann als Anlass nehmen würde, um die Hände in den Schoß zu legen und wegzusehen.

Sorry - aber genau das stimmt hier ja nicht.

Der Reporter legt ja eben NICHT die Hände in den Schoß und sieht weg. Er sieht HIN. Und zeigt es der Welt.

Wegsehen tust Du - am Frühstückstisch. (Und ich. Genauso.) Wenn wir die Zeitung beiseite legen, und so weiter leben wie jeden Tag.

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Ganz am Rande angemerkt, und gar überhaupt nicht "off-topic":

Falls einer von Euch einen Freund oder Kumpel (Nachbarn, Sohn, Bruder, Schwester Tochter) hat, der nach ein paar Monaten Dienst unter der schwarz-rot-goldenen Trikolore vom Hindukusch zurückkehrt...

Ihr braucht Euch nicht bedanken. (Dürft's aber natürlich trotzdem ruhig tun.)

Ihr braucht auch nicht fragen: "Na, wie war's denn so?"

Aber wenn Euch einer die selbe Geschichte zehnmal erzählt - hört einfach auch beim zehnten Mal genauso zu wie beim ersten. Ihr braucht's auch gar nicht kommentieren.

Der erzählt Euch das nicht zehnmal, damit Ihr es versteht. Der erzählt's Euch zehnmal, damit er es irgendwann versteht.
14.02.2011
Ich war bei der Bundeswehr vor knapp 10 Jahren nahe Ferizaij ... eingesetzt.
Ich verstehe jedes Wort von dem, was Du da schreibst und muß Dir leider recht geben.
Man ist erstaunt, was Menschen im Stande sind, zu tun, das können wir uns hier und trotz Nachrichten und Rambo-Filmen überhaupt nicht vorstellen.

Was die Quintessenz für den Thread betrifft, ändert das meine Meinung aber nicht, bestärkt sie eher (was glaub auch nicht mit Deiner Meinung kollidiert). Solange ein Individuum eine Grenze hat (und es hat jeder eine Grenze), gibt es auch Bilder, bei denen die Grenze erreicht wird. Mögen es auch absolute Ausnahmefälle sein, irgendwo gibt es sie.

Und Du hast diesmal Deine Bezeichnung als Forumstzunami noch übertroffen! XD
[gone] Abgemeldet
15.02.2011
Mich würd nochmal genauer interessieren warum dieses Bismarck Foto " ein völlig berechtigtes Foto" sein könnte. Immerhin hatte sich damals der Fotograf durch irgendeinen erfundenen Grund Zugang (vielleicht als Arzt ) zu dem Raum verschafft in den der Ex-Reichskanzler Bismarck damals im Sterben lag. Das Foto wurde damals glaub ich garnicht veröffentlicht weil es zu krass war.
Man stelle sich einfach vor: Man wäre 1992 unbefugt ins Sterbezimmer Willy Brandts eingedrungen und hätte ihn in solcher Lage fotografiert - wäre sowes auch " ein völlig berechtigtes Foto" ? - Ich glaube auch Personen der Zeitgeschichte sind nicht völlig unbeschränkt dem öffentlichen interesse freigegeben - wenn sie z,B. im Sterben liegen.


Original von TomRohwer
[quote]Original von Dorfstudio
Zurück zum Thema: Eine klare juristische Grenze der Fotografie ist ja das Persönlichkeitsrecht (Inhalt des KUG).

Es heißt, das KUG sei im Jahr 1907 eingeführt worden, nachdem Fotografen den 1898 verstorbenen Otto von Bismarck heimlich auf seinem Sterbebett fotografiert und die Bilder in Umlauf gebracht hatten.

Dies war wohl das erste krasse Paparazzi-Foto der Geschichte. (hab glaub ich einen Bildband in dem es ist - vielleicht findet es jemand im Web?).

Und ein völlig berechtigtes Foto...;-)



[/quote]
15.02.2011
Original von Dorfstudio
Mich würd nochmal genauer interessieren warum dieses Bismarck Foto " ein völlig berechtigtes Foto" sein könnte.

Weil Bismarck eine bedeutende Person der Zeitgeschichte und einer der wichtigsten Männer im Kaiserreich war, man kann durchaus sagen: der wichtigste gleich nach dem Kaiser, auch als er schon nicht mehr Kanzler war.

Und der Tod von Bismarck war ein Ereignis, das die ganze Nation berührte.

Es ist übrigens völlig normal, das prominente Zeitgenossen auf dem Totenbett gemalt oder fotografiert werden. Früher hat man den Toten sogar Gipsmasken vom Gesicht abgenommen, um danach dann Büsten zu fertigen.

Kaiser Franz Joseph auf dem Totenbett
Hindenburg auf dem Totenbett
Kaiserin Sissi auf dem Totenbett
Kaiser Wilhelm II auf dem Totenbett

Immerhin hatte sich damals der Fotograf durch irgendeinen erfundenen Grund Zugang (vielleicht als Arzt ) zu dem Raum verschafft in den der Ex-Reichskanzler Bismarck damals im Sterben lag.

Das macht man so, wenn man sich als Fotograf irgendwo Zutritt verschaffen will, wo man offiziell nicht rein darf. Der legendäre Hamburger Morgenpost-Fotograf Thomas Hirschbiegel (Kollegenspott: "Hirschbiegel braucht nur eine Postkarte in den Briefkasten einwerfen, und schon explodiert nebenan eine Bombe"...) hatte immer einen Arztkittel mit Arzttasche und weißem Feuerwehrhelm im Kofferraum, um sich nötigenfalls irgendwo durchmogeln zu können. ;-)

Das Foto wurde damals glaub ich garnicht veröffentlicht weil es zu krass war.

Das wundert nun für die Kaiserzeit irgendwie nicht... Die Zeitungen damals waren ja doch überwiegend regimetreu.

Man stelle sich einfach vor: Man wäre 1992 unbefugt ins Sterbezimmer Willy Brandts eingedrungen und hätte ihn in solcher Lage fotografiert - wäre sowes auch " ein völlig berechtigtes Foto" ?

Kommt immer ganz auf die Gesamtumstände und das Bild an. Ich würde allerdings Bismarck nicht mit Willy Brandt vergleichen wollen.

Bismarck war zu Amtszeiten ein autokratischer Potentat und Vasall eines Diktators (Kaiser), Willy Brandt ein demokratisch gewählter Politiker und Regierungschef. Allein das macht schon einen erheblichen moralischen Unterschied.

Ich glaube auch Personen der Zeitgeschichte sind nicht völlig unbeschränkt dem öffentlichen interesse freigegeben - wenn sie z,B. im Sterben liegen.

Das kommt immer ganz darauf an, a) wer sie sind - Ceausescu zum Beispiel, da hätte ich ohne zu Zögern die Hinrichtung fotografiert und die Fotos veröffentlicht, und b) wie die Umstände ihres Todes sind. Einen hohen Politiker, der nach einem Attentat im Sterben liegt, kann man selbstverständlich zeigen, muß man zeigen.

Robert Kennedy liegt nach dem Attentat im Sterben, das Gesicht des sterbenden Robert Kennedy.

Und wenn man zeigen kann, wie dieser Mensch stirbt - warum sollte man dann nicht genauso auch zeigen, wie einer jener Politiker stirbt, deren Politik zu dem Tod dieses Vietcong-Verdächtigen geführt hat?

Der Kämpfer oder Zivilist, der bei Kämpfen auf der Straße abgeknallt wird, darf gezeigt werden, aber wenn ein Politiker, der für einen Krieg mitverantwortlich ist (Bismarck z.B. hat Krieg gezielt als Mittel seiner Politiik eingesetzt), zuhause im Bett stirbt, dann ist das tabu?

Seh ich nicht.
15.02.2011
Wenn ich die Zeilen meiner Vorschreiber lese,
sehen die meisten die Grenzen der Fotografie

einerseits im technischen Bereich (wobei sich auch dieses feature
permanent ändert, also fast ohne Licht kann mit Restlichtverstärkern seit
30 Jahren mindestens monochrom fotografiert werden.)

Und dann sozial-religiöse Entrüstung, mal wegen Politik, mal wegen
Persönlichkeitsrechten, mal wegen Religion.

Grenzen sind in Gesellschaften fliessend. Tote Menschen zB. gelten nicht in allen
Kulturen als "Ausgestossene".

Ein paar 1'000 Mal stehen hier so Sätze:
Moralische Entrüstung (jetzt gleich gesetzt mit Grenzen
der Fotogrfaie) besteht aus X % Neid, aus % Unverständnis, aus X %
was weiss ich was.
Stimmt das denn nicht auch bei diesen Grenzbildern. Was machen kleine
Kinder: Sie decken mit den Händen ihre Augen zu und schreien:
Mamma, Du siehst mich nicht mehr!!

Heiner
[gone] Abgemeldet
16.02.2011
Von der Methode sich durch Tarnung, im Arztkittel, Zugang in eine Krankenstation zu verschaffen, um einen Patienten entgegen Einverständnis zu fotografieren weil auflagenstarke Printmedien das verlangen - davon hatte ich auch schon mal gehört. Es ging darum ein von einem Hund gebissenes, wohl stark entstelltes, Mädchen zu fotografieren (zu der Zeit als "Kampfhunde" gerade in den Schlagzeilen waren).
Setzen bei solch "öffentlichem Interesse" auch Persönlichkeitsrechte und ärztliche Schweigepflicht, sebst bei Privatpersonen, dann aus?



Original von TomRohwer
[quote]Original von Dorfstudio


[quote]Immerhin hatte sich damals der Fotograf durch irgendeinen erfundenen Grund Zugang (vielleicht als Arzt ) zu dem Raum verschafft in den der Ex-Reichskanzler Bismarck damals im Sterben lag.

Das macht man so, wenn man sich als Fotograf irgendwo Zutritt verschaffen will, wo man offiziell nicht rein darf. Der legendäre Hamburger Morgenpost-Fotograf Thomas Hirschbiegel (Kollegenspott: "Hirschbiegel braucht nur eine Postkarte in den Briefkasten einwerfen, und schon explodiert nebenan eine Bombe"...) hatte immer einen Arztkittel mit Arzttasche und weißem Feuerwehrhelm im Kofferraum, um sich nötigenfalls irgendwo durchmogeln zu können. ;-)

.[/quote]
[gone] User_6449
16.02.2011
Original von Dorfstudio
Von der Methode sich durch Tarnung, im Arztkittel, Zugang in eine Krankenstation zu verschaffen, um einen Patienten entgegen Einverständnis zu fotografieren weil auflagenstarke Printmedien das verlangen - davon hatte ich auch schon mal gehört. Es ging darum ein von einem Hund gebissenes, wohl stark entstelltes, Mädchen zu fotografieren (zu der Zeit als "Kampfhunde" gerade in den Schlagzeilen waren).
Setzen bei solch "öffentlichem Interesse" auch Persönlichkeitsrechte und ärztliche Schweigepflicht, sebst bei Privatpersonen, dann aus?

War das Mädchen prominent?

Also eine "Person des öffentlichen Interesses"?

Wie Bismarck?

Viele Grüße
Peter
[gone] Abgemeldet
16.02.2011
Es war auf jeden Fall mal ein Auftrag einer großen bunten deutschen Illustrierten gewesen.

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